MÜNCHEN. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) hat ihre Redakteure auf der Suche nach einem Maulwurf durchleuchtet. Es sollen E-Mails und Festnetztelefone überprüft worden sein, berichtet das Magazin Medieninsider. Hintergrund sei die Berichterstattung des Magazins über interne Reaktionen zu den Plagiatsvorwürfen gegen die stellvertretende Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid. Die SZ-Chefetage suche nun nach der Medieninsider-Quelle innerhalb der eigenen Reaktion.
Die Plagiatsvorwürfe fußen auf einer Recherche des Magazins. In einigen Artikeln soll die 53jährige Föderl-Schmid aus anderen Quellen ohne Kenntlichmachung abgeschrieben haben, so unter anderem von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). In einem Fall habe sie den Text des Jüdisches Museums in Berlin wortgleich übernommen.
Nach dem Bekanntwerden der Auffälligkeiten in den Artikeln von Föderl-Schmid war SZ-intern von einer rechten Verleumdungskampagne die Rede. Es sei ein „mieses kleines Verleumdungsstück“, zitierte Medieninsider aus einer Redaktionskonferenz.
Vertrauensbruch in der Redaktion
Während einer vorzeitigen Vollversammlung am Dienstagabend mit mehr als 100 Redakteuren sprach die Chefredakteurin Judith Wittwer von einem „Vertrauensbruch“. Ihr Co-Chef Wolfgang Krach ging so weit, die gesamte Redaktion unter Verdacht zu stellen. Wiederholt soll der Begriff „Maulwurf“ gefallen sein, dabei sei auch ein Maulwurfrudel nicht ausgeschlossen worden.
Zuvor sollen die Festnetztelefone, Netzwerke, E-Mails sowie vereinzelte Audio- und Videodateien der Redakteure durch die SZ ausgewertet worden sein. Wie Medieninsider berichtet, geschah dies mit dem Segen des Betriebsrates.
Langjährige Redaktionsmitglieder kritisierten das Vorgehen in der Versammlung. Thema sei auch das Arbeitsklima gewesen. Neben einem verengten Meinungskorridor wurde die unterschiedliche Behandlung von Mitarbeitern bei Fehlern bemängelt. Insgesamt gebe es Kommunikationsprobleme zwischen der Redaktion und Chefredaktion.
Süddeutsche Zeitung weist Vorwürfe zurück
In einer Stellungnahme wies die Süddeutsche Zeitung den Vorwurf, E-Mails überprüft zu haben, zurück, berichtet die Bild-Zeitung. „E-Mails von Mitarbeitern wurden zu keinem Zeitpunkt eingesehen.“ Jedoch werde die Münchner Zeitung es nicht dulden, wenn der „Schutz der Räume, in denen Journalisten über ihre Arbeit sprechen“ verletzt wird.
Es lägen Hinweise vor, die das Abhören bzw. Aufzeichnen der Redaktionskonferenz nahelegten. „Wie bei anderen Unternehmen auch gibt es für diesen Fall bei der SZ Regeln, wie dann vorzugehen ist. Selbstverständlich halten wir uns an diese Regeln, hier an eine entsprechende Betriebsvereinbarung.“ Jedoch gestand das Blatt ein, daß „es sich bei den im Medieninsider wiedergegebenen Äußerungen um persönliche Meinungsäußerungen und nicht um ‘Geheimnisse’ handelte“.
Doppelmoral beim Quellenschutz
Kritik an dem Vorgehen kam auch von außen. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ sei alarmiert, in welcher Manier die Süddeutsche Zeitung den Quellenschutz beiseite schiebe. Medienanwalt Ralf Höcker kommentierte auf X (früher Twitter): „Die SZ findet Whistleblower gut und veröffentlicht gerne deren Informationen – es sei denn, sie sitzen in der eigenen Redaktion“.
— Argo Nerd (@argonerd) February 3, 2024
In der Vergangenheit betonte die Zeitung wiederholt ihre Unterstützung für „Whistleblower“ und forderte die Bundesregierung auf, deren gesetzlichen Schutz auszubauen. Der Quellenschutz gilt im Journalismus als heiliges Prinzip, um Informanten vor Repressionen zu schützen. (sv)