Handverlesenes Studio-Publikum? Abgesprochene Fragen? Stellte das ZDF für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Rund-um–Sorglos-Atmosphäre in einem Polit-Talk mit der Bevölkerung her? In den Sozialen Medien kochen die Diskussionen und Mutmaßungen hoch. Die JUNGE FREIHEIT fragte beim ZDF nach: Was war da los, beim Kanzler-Klartext?
Donnerstag abend, 20.15 Uhr. „Klartext, Frau Merkel! – Bürger fragen die Bundeskanzlerin“ heißt die Sendung, in der Angela Merkel der Bevölkerung Rede und Antwort stehen will. Die 90 Minuten moderieren das ZDF-Duo Peter Frey und Bettina Schausten. „Wieder sind 150 Bürgerinnen und Bürger bei uns zu Gast“, begrüßt Frey die Gäste und die TV-Zuschauer – und natürlich die Kanzlerin.
Und schon geht es mit einem Einspieler zum ersten großen Themenbereich Sicherheit los. Kriminalitätsopfer Josef Mooseder, Einzelhändler aus Dachau in Bayern erzählt von einem Einbruch in seinem Laden und darf die erste Frage an die Kanzlerin stellen: „Für mich wäre wichtig zu wissen, was würden Sie bei der Justiz und bei der Polizei verändern, wenn Sie noch mal die Chance dazu bekommen?“
Bürger fragen, Merkel antwortet
Und Kanzlerin Merkel kann ausführen, was die Regierung unter ihrer Ägide getan hat – nämlich das Mindeststrafmaß für Wohnungseinbrüche auf ein Jahr hochgesetzt zu haben. Da meldet sich dann auch ein Kevin Komolka, Polizist aus Niedersachsen und Bundesjugendvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei zu Wort.
Zum Thema Rente rechnet dann Reinigungskraft Petra Vogel aus Bochum in einem Einspieler vor, wie kläglich ihre Rente nach 40 Jahren mit 654 Euro ist, bei 1.050 Euro Gehalt. Frau Vogel ist darüber hinaus Betriebsrätin. Und stellt dann im Studio die Frage, warum in Deutschland nicht ein System wie das österreichische System der Bürgerrente eingeführt wird?
Merkel sagt, das deutsche Rentensystem sei in langer Zeit gewachsen, hält aber das österreichische System für besser. Und fragt dann, ob die Frau eine Riesterrente hätte? Was dann von einer Zuschauerin als unverschämt bezeichnet wird.
Spontane Fragen eines zufällig eingeladenen Publikums?
Was wie spontane Fragen eines zufällig eingeladenen Studio-Publikums daherkommt, wird dann allerdings zu einem PR-Desaster für das Öffentlich-Rechtliche als plötzlich über die Mattscheibe von Hunderttausenden deutschen Fernsehern ein „Spickzettel“ des Moderators flimmert, den er in der Hand hält. Der Zuschauer zu Hause vor der Mattscheibe kann auf dem „Spickzettel“ Portraitfotos einzelner Studio-Zuschauer und Randbemerkungen erkennen.
In den sozialen Medien wird nun vermutet, daß die spontan wirkenden Publikumsfragen gar nicht so spontan seien. Vielmehr handele es sich um ausgesuchte Personen, die zuvor abgestimmte Fragen stellten, wird gemutmaßt.
Die Eigenwerbung des Zweiten Deutschen Fernsehens für das Format liest sich wie folgt: „Mit dem ‚TV-Duell‘ am Sonntag, 3. September 2017, 20.15 Uhr, startet das ZDF in eine informationsreiche Primetime-Sendewoche zur Bundestagswahl – mit einem TV-Dreikampf, einer ‚Wie geht’s, Deutschland?‘-Erkundung und fünfmal ‚Illner intensiv‘ an vier Tagen. Und in der Woche darauf bittet das ZDF um ‚Klartext, Herr Schulz!‘ und ‚Klartext, Frau Merkel!‘. In diesen beiden Publikumssendungen haben die Bürger Gelegenheit, dem SPD-Kanzlerkandidaten und der Bundeskanzlerin direkt ihre Fragen zu stellen.“
Ein Teil der Gäste war ausgesucht
Kein Wort über vorsortiertes Publikum. Wie sieht es denn nun aus? ZDF-Pressesprecher Thomas Hagedorn, erklärt gegenüber der JF:
Wie an verschiedener Stelle von den Moderatoren erwähnt, waren einige Gäste bereits als Protagonisten Teil von ZDF-Formaten im Fernsehen oder dem crossmedialen Projekt zur Wahl #ichbindeutschland. Die Moderatoren kannten einige der Gäste aus von der Redaktion vorbereiteten Profilen bzw. aus den oben genannten Fernseh- bzw. Netzformaten. Die Redaktion hat in der Vorbereitung der Sendung selbstverständlich auch geprüft, welche der eingeladenen Gäste zu welchen Themenkomplexen Fragen stellen könnten. – Hagedorn
Auf nochmalige Nachfrage sagt Hagedorn: „Ja, ein Teil der Gäste war ausgesucht. Das haben wir immer erwähnt und transparent gemacht. Auch der Syrer, der seine Frau nachholen möchte, ist der Redaktion vorher bekannt gewesen. Und natürlich haben wir bei den Anmeldungen der Gäste geschaut, ob auch alle gesellschaftlichen und politischen Bereiche vertreten sind. Wir laden Leute mit und ohne politischen Hintergrund ein.“
Zuschauer müssen sich bewerben
Und wie war das nun mit dem Spickzettel? „Die Moderationskarte ist ein Hilfsmittel, eine Gedächtnisstütze für den Moderator. So wie sie sich Notizen machen wenn sie eine Rede halten. Da waren nur die Fotos der Leute aus den Einspielern drauf und Notizen des Moderators, damit der auch weiß, wo die sitzen.“
Und Hagedorn gibt zu bedenken: „In einer 90-minütigen, dynamischen Livesendung kann das aber nicht viel mehr sein als eine grobe Orientierung für die Moderatoren. Es war verabredet, daß die Protagonisten, die in einem Film vorgestellt werden und in einen Themenkomplex einführen, auch zu Wort kommen. Alle anderen Entscheidungen fielen während der Sendung.“
Aber das ist nicht alles: Denn um Zuschauer bei der Sendung aus dem Hauptstadtstudio zu werden, muß man sich bewerben und zwar beim Ticketservice des ZDF.