DRESDEN. Die Sächsische Zeitung will künftig immer die Herkunft von Straftätern und Verdächtigen zu nennen. Dies verbietet allerdings der Kodex des Presserates. „Dennoch haben wir uns gefragt: Trägt die Richtlinie des Pressekodex in der gegenwärtigen Situation in Dresden und Sachsen auch wirklich zum Schutz von Minderheiten bei?“ heißt es in einem Artikel des Blattes.
„Gerade das Nichtnennen der Nationalität von Straftätern und Verdächtigen“ schaffe Raum für schädliche Gerüchte. Laut einer Umfrage hielten es auch vier von fünf Abonnenten des Blattes nicht für diskriminierend, die Herkunft anzugeben.
Deshalb sei nach „kontroversen Diskussionen“ beschlossen worden, sich ab Juli nicht mehr an die Richtlinie des Deutschen Presserates zu halten.“ Allerdings könne das Blatt nur Straftaten vermelden, „von denen uns die Polizeibehörden auch in Kenntnis setzen, was mit Bagatellfällen wie kleineren Diebstählen oder Schwarzfahren für gewöhnlich nicht geschieht“. Wenn die Polizei die Herkunft der Täter und Verdächtigen bei schwereren Vergehen nicht nenne, könne es die Sächsische Zeitung auch nicht. „Tut sie es doch, werden wir auch diese Information nicht verschweigen.“
Journalistenverband empört
Ziel der Maßnahme sei es, Ausländer zu schützen. Schließlich hätten Studien ergeben, daß diese nicht krimineller als Deutsche seien, heißt es weiter.
Obwohl die SZ die Täterherkunft bisher eher selten nannte – meist nur, wenn sie in direktem Zusammenhang mit der Tat stand –, schätzen viele Leser die Zahl krimineller Flüchtlinge in Sachsen erheblich höher ein, als sie ist. Dieses Überschätzen von Ausländerkriminalität ist bundesweit ein gravierendes Problem, denn es kann rassistische Vorurteile befördern.
Der Deutsche Journalistenverband zeigte sich empört. „Die Anwendung des Pressekodex kann keine einseitige Rosinenpickerei sein“, sagte der Bundesvorsitzende Frank Überall dem Tagesspiegel. „Wenn sich eine Mehrheit demokratisch auf Regeln einigt, muss man das akzeptieren.“ Besser wäre es gewesen, das Blatt hätte sich für eine Änderung des Pressekodex eingesetzt. Der Presserat hatte allerdings nach den Sexattacken von Köln entschieden, an der bisherigen Praxis festzuhalten. (ho)