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Marc Jongen, ESN Fraktion

Kampagne: Alles ist erlaubt

Kampagne: Alles ist erlaubt

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Kampagne
 

Alles ist erlaubt

Mit der Drygalla-Kampagne ist ein weiterer Präzedenzfall geschaffen worden, der als Drohung im Raum stehen bleibt. Es soll keine private Zone mehr geben. So entsteht allmählich eine artifizielle Welt, die mit jener, auf die wir uns beziehen, immer weniger gemein hat. Ein Kommentar von Doris Neujahr.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

Im Kielwasser der Kampagne gegen die Ruderin Nadja Drygalla wird mit Genugtuung vermeldet, daß ihrem Freund Michael Fischer eine Anklage wegen besonders schweren Landfriedensbruchs und eine Gefängnisstrafe von maximal zehn Jahre drohe.

Fischer habe im Februar 2012 an einer Gegendemonstration zu einer Trauerkundgebung teilgenommen, die linke Gruppen für ein – mutmaßliches – Opfer der Terrorzelle NSU in Rostock veranstalteten. Dabei sei eine Eisenstange geworfen und ein Polizist am Knie verletzt worden.

Das Signalwort „NSU“ dient als Vehikel

Nun sind Störungen von Totengedenken ein Ritual, das sonst von linken Gegendemonstranten gepflegt wird, die bei der Gelegenheit ihre Freude über die 500.000 deutschen Ziviltoten des alliierten Bombenkriegs bekunden. Von den Dutzenden Polizeibeamten, die alljährlich durch Mai-Demonstranten verletzt werden, gar nicht zu reden.

Die mediale Erregung darüber hält sich in Grenzen. Man dürfe die engagierten jungen Menschen nicht kriminalisieren, lautet der öffentliche Tenor, und zu Freiheitsstrafen kommt es so gut wie nie. In diesem Fall aber geht es „gegen Rechts“, wobei das Signalwort „NSU“ als Vehikel dient.

Legitimierte Gesinnungs- und Bettschnüffelei

Längst wird ihm eine zivilreligiöse Magie zugeschrieben, an der zu zweifeln einen Frevel bedeutet, der strafverschärfend wirkt und auch die Gesinnungs- und Bettschnüffelei in der Causa Drygalla legitimieren soll. Mit Schnüffelei habe „das Sichten und Gewichten von Kontakten zu Neonazis (…) nichts zu tun“, schreibt Caroline Fetscher im Berliner Tagesspiegel unter Hinweis auf die „Serienmörder des selbsternannten ‘nationalsozialistischen Untergrunds’“.

Hier zeigt sich, daß die einschlägigen Medienkampagnen der letzten Jahre unabhängig vom sachlichen Gehalt eine eigene Realität erschaffen haben, welche die Grundlage für immer neue Kampagnen bildet. Wir befinden uns in einer auf Permanenz angelegten Eskalation. Sogar das zweifelhafte Messerattentat auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl hat im Kampf gegen Rechts irreversible Fakten geschaffen.

Und auch über den Nationalsozialistischen Untergrund wissen wir ja nur, was die staatlichen Behörden und ihre dienstbaren Mediengeister (die selber wie ahnungslose Briefträger wirken) uns seit Monaten glauben machen wollen, ohne handfeste Beweise vorzulegen. Dennoch wirkt er mit der Kraft einer Naturgewalt.

Ein weiterer Präzedenzfall geschaffen

Mit der Drygalla-Kampagne ist ein weiterer Präzedenzfall geschaffen worden, der als Drohung im Raum stehen bleibt. Es soll keine private Zone mehr geben, die sich dem Zugriff politischer Kalkulation und Bewertung verschließt. Nichts wäre daher falscher als das Bild einer Erregungswelle, die eben im Begriff ist, sich zurückzuziehen und dem lädierten Küstenstreifen die Gelegenheit zu geben, sich zu regenerieren.

Bei jeder Kampagne handelt es sich um eine Erregungslava, die sich über das Land legt und mit ihrem Erkalten eine neue Gesteinsmasse bildet, über die sich bei der nächsten Eruption neue Lavamassen schieben. So entsteht allmählich eine artifizielle Welt, die mit jener, auf die wir uns beziehen, immer weniger gemein hat, bis die antifaschistische Friedhofsruhe vollkommen ist.

Nur wenige Journalisten mit Widerspruch

Dezidierter, prinzipieller Widerspruch kommt höchstens von den wenigen Journalisten, die sich eine Liberostellung erobert haben oder anderweitig Narrenfreiheit besitzen. Spiegel-Autor Matthias Matussek merkte zur Kritik der früheren Pionierleiterin und aktuellen Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linkspartei), Drygalla hätte aufgrund ihres Umgangs gar nicht erst nominiert werden dürfen, sarkastisch an: Das hätte es in der DDR nicht gegeben.

Unter der Überschrift „Ein Schauprozeß“ attackierte Zeit-Autor Jens Jessen die grassierende Feigheit, verfiel dann allerdings in einen typisch linksliberalen Denkfehler, als er die Kampagne als den Versuch analysierte, einen unbewältigten Neonazismus zu kompensieren, anstatt klar die fremd- und selbstverordnete Hitler-Fixierung der Bundesrepublik als Wurzel des Übels zu benennen.

Ähnlich argumentierte der Alt-68er Thomas Schmid in der Welt, der die „symbolische Opferung“ Nadja Drygallas anprangerte, die üble Rolle der Springer-Presse jedoch verschwieg. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), kritisierte den Umgang mit Drygalla, ohne sich aber zu bemühen, die politische Dimension des Vorgangs zu erfassen.

Ein Spitzelportal als Ausgangspunkt

Zur politischen Dimension gehört nämlich, daß der Schauprozeß seinen Ausgangspunkt in einem Antifa-Internetportal hat. Unter dem Deckmantel des zivilgesellschaftlichen Engagements hat sich ein – teilweise staatlich subventioniertes – Spitzelwesen etabliert, welches dem IM-System der Stasi an Perfidie und Effektivität nacheifert.

Die meisten Journalisten genieren sich keineswegs, als Verwerter und damit als Teil dieses Systems zu agieren. Die Tagesspiegel-Autorin Fetscher faßt stellvertretend ihrer aller Überzeugung in die Formel: „Daß dabei in seltenen Fällen übers Ziel hinausgeschossen wird, läßt sich eher verkraften, als daß das Ziel aus den Augen gerät.“

Dieser Satz könnte, in seiner brutalen Beiläufigkeit, auch von Hilde Benjamin („Warum so milde, Genossen?“) oder Hermann Göring („Wo gehobelt wird, da fallen Späne!“) stammen. Aus sich selbst heraus kann dieser Irrsinn sich nicht mehr reformieren.

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