BERLIN. Der Schriftsteller Günter de Bruyn ist tot. Der renommierte Autor starb nach Angaben seiner Familie am 4. Oktober im Alter von 93 Jahren.
1926 in Berlin geboren, war seine Jugend vor allem durch den Zweiten Weltkrieg und seinen Dienst als Luftwaffenhelfer und Soldat geprägt. Eindringlich schildert er diese Zeit in seiner autobiographischen Erzählung „Zwischenbilanz“ (1992). Das Kriegsende 1945 war für ihn bis zu seinem Lebensende das zentrale Ereignis in der Geschichte.
Nach seiner Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zog de Bruyn nach Brandenburg, wo er zunächst als Lehrer arbeitete. Später machte er eine Ausbildung zum Bibliothekar in Ost-Berlin. Ein Bibliothekar, den es verzweifelt zwischen zwei Frauen hin- und herzieht, war dann auch die Hauptperson seines ersten erfolgreichen Romans „Buridans Esel“ (1968), der ihn auch im Westen bekannt machte.
Protest gegen Biermann-Ausbürgerung
1976 gehörte er zu den Unterzeichnern, die gegen die Ausbürgerung des DDR-Liedermachers Wolf Biermann protestierten. Im Oktober 1989 lehnte er aus Protest gegen die Haltung der SED-Führung den Nationalpreis der DDR ab.
Dennoch war er vordergründig kein oppositioneller Autor, wie Thorsten Hinz anläßlich des 90. Geburtstags von de Bruyn 2016 schrieb. „Seine Haltung war die des distanzierten Einzelgängers, dessen persönliche Autonomie grundsätzlicher ist als politischer Widerstand.“
Diese Haltung behielt de Bruyn auch nach der Wende. Neben seiner Tätigkeit als märkischer Chronist (u. a. „Mein Brandenburg“, 1993) erschien 1996 mit „Vierzig Jahre“ sein zweites autobiographisches Werk. 2002 erhielt er den Deutschen Nationalpreis.
Kritik am Zeitgeist
Im Fontanejahr 2017 wurde seine erstmals 1988 veröffentliche und viel beachtete Zusammenstellung der schönsten Wanderungen des märkischen Dichters in eine von de Bruyn überarbeiteten Neuausgabe veröffentlicht.
Ein Jahr später folgte mit de Bruyns letztem Werk „Der neunzigste Geburtstag“ nach langer Zeit wieder ein Roman. Darin bewies der Schriftsteller trotz seines betagten Alters, daß er immer noch über eine scharfsinnige Beobachtungsgabe verfügte.
Der Roman spielt in einem mecklenburgischen Dorf in der Zeit nach Merkels Grenzöffnung und der großen Flüchtlingswelle nach Deutschland. De Bruyn setzt sich darin nicht nur mit der mangelnden Aufarbeitung der DDR-Diktatur auseinander, sondern kritisiert an Hand einzelner Protagonisten auch diverse Auswüchse des aktuellen Zeitgeists in der Bundesrepublik wie Feminismus, Hypermoral, selbstgewählte Kinderlosigkeit, Gendersprech und die Verachtung für das Eigene bei gleichzeitiger fürsorglicher Begeisterung für alles Fremde. (krk)