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Rezension: „Völkerwanderung nach Europa“

Rezension: „Völkerwanderung nach Europa“

Rezension: „Völkerwanderung nach Europa“

Masseneinwanderung
Masseneinwanderung
Asylsuchende (hier 2015 in Budapest) auf dem Weg Richtung Deutschland Foto: picture alliance / JOKER
Rezension
 

„Völkerwanderung nach Europa“

Seine zahlreichen Publikationen zur Politikwissenschaft und Zeitgeschichte zeigen Hans-Peter Schwarz’ Bestreben, der Aufklärung des Publikums zu dienen und nicht Schönfärberei im Sinne der Zeitmächte in Politik und Medien zu betreiben. Dies gilt erneut für das jüngste Buch des Autors, dem breite Rezeption zu wünschen ist.
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Seine zahlreichen Publikationen zur Politikwissenschaft und Zeitgeschichte zeigen Hans-Peter Schwarz’ Bestreben, der Aufklärung des Publikums zu dienen und nicht Schönfärberei im Sinne der Zeitmächte in Politik und Medien zu betreiben. Dies gilt erneut für das jüngste Buch des Autors, dem breite Rezeption zu wünschen ist.

Schwarz geht bis zur Grundlegung des europäischen Flüchtlingsrechts in der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten zurück, die der Europarat am 4. November 1950 verabschiedete, der dann die Genfer Flüchtlingskonvention der UNO am 28. Juli 1951 folgte. Beiden Konventionen traten die Staaten Europas bei, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland. Es waren die Jahre des Ost-West-Konflikts, in denen der Schutz einer großen Zahl von Flüchtlingen aus dem Machtbereich des Kommunismus-Bolschewismus die Hauptrolle spielte.

Schon in dieser Zeit wurden die beiden Konventionen von zahlreichen Annexen und Protokollen ergänzt und erweitert, insbesondere auch zum Begriff und zu den Rechten der Flüchtlinge. Es mußte auffallen, daß wichtige außereuropäische Mächte wie die USA, Kanada, Australien, Japan und Indien dem Beitritt nicht folgten, sondern eigene Einwanderungsgesetze erließen. In Europa und schon damals vor allem in der Bundesrepublik begann die erste Einwanderungswelle in den sechziger Jahren mit der Begründung des Arbeitskräftemangels im Land des deutschen „Wirtschaftswunders“.

Gerichtsentscheidung als Toröffner

Die ersten „Gastarbeiter“ kamen aus Südeuropa, bald auch aus der Türkei. Die ideologische Linke in der Bundesrepublik erkannte die günstige Gelegenheit, auf diesem Weg ihrem Ziel der multikulturellen Zukunft näherzukommen. Aus den Gastarbeitern wurde in den folgenden Jahrzehnten eine Zuwanderung von Menschen, die zu bleiben gedachten. Als die Bundesregierung 1993 auf einem ersten Höhepunkt der Einwanderung den Asylartikel 16 des Grundgesetzes novellierte, konnte er den weiteren Anstieg der Zuwanderung nicht verhindern.

Bald wurde die Einwanderung von Arbeitskräften abgelöst von einer wachsenden Fluchtbewegung aus Kriegs- und Konfliktgebieten im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika. Es hatte sich herumgesprochen, daß Deutschland die besten Hilfs- und Sozialleistungen für Asylbewerber in der Welt bot und die Europäische Union das aussichtsreichste Bleiberecht für Flüchtlinge.

Schwarz untersucht dazu einen exemplarischen Vorgang im Jahr 2004, der zu einer der Toröffnungen für die Masseninvasion nach Europa wurde, die von der europäischen Politik und Verwaltung selbst im folgenden Jahrzehnt zu verantworten war. Eine Gruppe von 24 jugendlichen „Flüchtlingen“ aus Eritrea, die ihrer Militärpflicht entgehen wollten, beantragten in Italien Asylrecht, das ihnen verweigert wurde. Die 24 erhoben dagegen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die schließlich Erfolg hatte.

Kein Schutz der Grenzen

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Der Gerichtshof verurteilte Italien zusätzlich zu einer Geldstrafe von 1.5000 Euro für jedes Gruppenmitglied. Das Urteil wurde von der Europäischen Kommission anschließend zur „Qualifikationsrichtline“ des europäischen Flüchtlingssrechts erklärt und dadurch auch Recht für alle EU-Mitgliedstaaten. Der Deutsche Bundestag beschloß die Übernahme 2007. Italien nahm den Vorgang zum Anlaß zu der weitreichenden politischen Entscheidung, die Dublin-Bestimmungen der EU auszusetzen und von nun an die über das Mittelmeer mit Schlepperhilfe kommenden Flüchtlinge ohne Kontrolle nach Deutschland „durchzuwinken“.

Die anschließende Hochphase der Flüchtlingsinvasion wurde, wie man sieht, von einem Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs im Zusammenwirken mit einer Grundsatzentscheidung der Brüsseler Kommission ausgelöst, die leichtfertig die Schutz- und Anspruchsrechte der Asylbewerber erweiterten und dadurch zugleich den Schutz der Grenzen der Europäischen Union, sowie ihrer Seegrenzen, durchlöcherten und praktisch außer Kraft setzten.

Masseninvasion nach Deutschland

Schwarz nimmt diese Rechts- und Politikpraxis der EU und ihrer Mitgliedstaaten zum Anlaß, nach dem „Wertehorizont“ der politischen Eliten in der EU zu fragen und charakterisiert ihn mit der Neigung zu einem weltumfassenden Humanitarismus, zu einem Pazifismus ohne politischem Gefahreninstinkt und zu einem grenzenlosen Glauben an die ökonomische Stärke der Europäischen Union, einem ideologischen Gerüst und „Glauben“, der in den politischen Klassen, in den ökonomischen Führungsschichten und selbst in nicht geringen Teilen der Bevölkerung wirksam ist ohne ein zureichendes Bewußtsein der politischen Konsequenzen dieses Kurses, geprägt von einer individualistischen Gesinnungsethik, die die Interessen des eigenen Landes, seinen Anspruch auf Sicherheit und Selbstbehauptung weithin aus dem Bewußtsein verloren hat.

Zumal in Deutschland der Ära Merkel stellt Schwarz eine verbreitete universalistische, humanitäre Mentalität fest, die wesentlich von den Mainstream-Medien unterstützt und verbreitet wird, die seit 2015 vielfach eine Atmosphäre gesellschaftlicher Gleichschaltung entstehen ließ ohne eine kritische politische Sicht auf die Tragödie der Masseninvasion nach Deutschland und Europa.

Humanitäres Konstrukt

Der Autor sieht darüber hinaus im Asyl- und Flüchtlingsrecht der Europäischen Union mit seiner Mischung aus menschen- und europarechtlichen, völkerrechtlichen und nationalen Elementen den entscheidenden Faktor, der zu einer Selbstfesselung der EU und ihrer Mitgliedstaaten geführt hat, wie sie vor allem in ihrem Verzicht auf den Schutz ihrer Außen-und zumal ihrer Seegrenzen zutage tritt, ein humanitäres Konstrukt, das in seinem gegenwärtigen Zustand zur Ankunft weiterer Millionen aus allen Weltregionen einlädt.

Schwarz sieht in der Bereitschaft der EU und ihrer Staaten, sich letztlich der Oberaufsicht internationaler Gerichte zu unterwerfen den Nachweis politischer Tollkühnheit, die Bereitschaft zur politischen Selbstabschaffung des Kontinents. Er appelliert an die politische Vernunft, an die jahrhundertealte Erfahrung der europäischen Staatsräson, die gebietet, das aktuelle europäischen Flüchtlingsrecht durch einen Kodex des Willens zur Selbstbehauptung Europas abzulösen.

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JF-Buchtipp: Hans-Peter Schwarz: Die neue Völkerwanderung nach Europa. Über den Verlust politischer Kontrolle und moralischer Gewissheiten, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2017.

Asylsuchende (hier 2015 in Budapest) auf dem Weg Richtung Deutschland Foto: picture alliance / JOKER
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