BERLIN. Der Bestseller-Autor Thilo Sarrazin (SPD) hat sich in seinem neuen Buch über Irrlehren selbsternannter Tugendwächter lustig gemacht. Darunter auch die Vorstellung, Ungleichheit sei schlecht, Gleichheit sei gut. Tatsächlich habe es aber seit jeher Ungleichheit gegeben: „Der Jäger mit Faustkeil war jenem ohne Faustkeil überlegen“, heißt es im Buch „Der neue Tugendterror“, aus dem die Bild-Zeitung vorab zitiert. Gäbe es einen Zustand der Gleichheit, so werde dieser durch die Menschen selbst wieder aufgehoben:
„Überall schlägt der Schnelle den Langsamen, der Fleißige den Faulen, der Gebildete den Unwissenden, der Kluge den Dummen, der Kreative das Gewohnheitstier, der Glückspilz den Pechvogel, und so entsteht neue Ungleichheit.“ Die Folgen der Ungleichheit können gemildert werden, soweit sie sozial nicht akzeptabel seien. „Aber den Antrieb, der dahintersteht, sollte man nicht beschädigen, aus ihm entstehen nämlich Wissen und Wohlstand, mit einem Wort: Fortschritt und Leben.“
Ungleichheit ist gut
Auch lehnte Sarrazin die Vorstellung ab, wer reich sei, solle sich schuldig fühlen. Tatsächlich ist die Gesellschaft auf diese Ungleichheit angewiesen. „Eine bestimmte Ungleichheit von Einkommen und Vermögen ist die unvermeidliche Folge einer jeden funktionierenden Marktwirtschaft. Der Korrektur durch staatliche Eingriffe sind deshalb stets Grenzen gesetzt.“ Das hätten auch die skandinavischen Länder erkannt, welche den Markt „weitgehend unberührt“ lassen und eine Umverteilung über Einkommensteuer und Sozialabgaben gestalten.
Amüsiert zeigte sich Sarrazin auch von der Behauptung, die Sekundärtugenden wie der Leistungswettbewerb seien unwichtig oder gar moralisch fragwürdig. „Der Vorbehalt gegen Sekundärtugenden reflektiert teils Neid gegen die Tüchtigen, teils deutschen Selbsthaß.“ Auf Spott trifft auch die Behauptung, Männer und Frauen besäßen bis auf ihre Geschlechtsmerkmale keine angeborenen Unterschiede. Solche Sichtweise resultiere nur aus einer ideologischen Betrachtung der Dinge:
„Für bestimmte Ideologen ist schon der Gedanke, daß Männer und Frauen in gewissem Umfang unterschiedliche Verhaltensweisen und Präferenzen angeboren oder früh herausgebildet sein könnten, die auch in unterschiedliche Lebenswege münden, ganz unerträglich“, heißt es in dem Textauszug. „Sie wollen alle Anzeichen dafür mit Stumpf und Stiel ausrotten und werden nicht eher ruhen und rasten, bis jeder zweite Erzieher männlich und jeder zweite Dax-Vorstand weiblich ist.“ (FA)
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