Frei nach Johannes B. Kerner, den Eva-Herman-Bezwinger und unter den Fernsehfeiglingen einer der tückischsten: Heldengesänge gehen schon mal gar nicht mehr! Der Held ist nicht bloß ausgestorben, bereits die Erinnerung an ihn wirkt als Provokation. Denn sein Mut und die Bereitschaft zum Selbstopfer lassen die Anhänger der individuellen Selbstverwirklichung – an deren Ende überwiegend uniforme Massenware steht – sehr klein aussehen. Der Focus-Journalist Michael Klonovsky hat ihm einen Nachruf gewidmet. Die Streitschrift ist brillant geschrieben, geistvoll, ironisch (und selbstironisch!) und – bitter-böse!
Woran ist er zugrunde gegangen, der Held? Zunächst einmal an der Veränderung der natürlichen Umwelt. Das Betätigungsfeld des Jägers, Sammlers und Kriegers hat sich ins Abstrakte, zum Beispiel in Büroarbeit ohne Eros verflüchtigt. Der moderne Mann erringt seine Siege am Computer, doch das können die Frauen ebenso gut. Der Männlichkeit bleiben Surrogate wie der Abenteuerurlaub, der durch Unfall- und Reiserücktrittsversicherungen flankiert wird. Sogar der Aufstand der Söhne gegen die Väter ist zum weinerlichen Nachtreten verkommen: Siehe die Kohl-Söhne, die erst aufzumucken wagen, seitdem der Altkanzler im Rollstuhl sitzt.
Feministinnen verlassen sich auf das Chevalereske im Mann
Politik und Gesellschaft sind gegen den Helden eingestellt, denn seine innere Freiheit und Kraft sind unkalkulierbar. Die Leiche des Dominik Brunner, der sich in einer Münchner S-Bahn zwei Schlägern entgegengestellt hatte, war kaum kalt, als Journalisten mäkelten, da hätte jemand unnötigerweise den „Helden gespielt“. Hätte Brunner überlebt, säße er wohl selber „als überreagierender Problemjugendlichen-Zusammenschläger im Gefängnis“.
Den Rest übernehmen der Feminismus und der Gender-Wahnsinn, der die Geschlechterrollen zu „Konstrukten“ erklärt. Allerdings habe das Konstrukt nur funktioniert, weil die Natur dafür die Bauteile zur Verfügung gestellt und unterschiedlich verteilt habe. Man müsse, schreibt Klonovsky, folglich statt von „konstruierter“ von „konditionierter“ Männlichkeit sprechen. Zu den kaum thematisierten Heucheleien gehört auch, daß die Feministinnen auf das Chevalereske im Mann spekulieren: daß er es nach wie vor nicht über sich bringt, jede Gehässigkeit mit gleicher Münze heimzuzahlen.
Die ideellen und technischen Voraussetzungen der Gender-Politik sind übrigens Männerhirnen entsprungen. Die Konstellation erinnert damit an den Loriot-Sketch über den Weg der Frau zum Jodeldiplom: Die Frau, die „was Eigenes“ erreichen will, plappert wortwörtlich ihren Mann nach. Klonovsky stellt die Frage, ob die emanzipierte, vollbeschäftigte, kinderlose, nach Sexismus schnüffelnde (nach ihm sich sehnende?) Frau im Single-Apartment tatsächlich glücklicher ist als die Mutter und Ehefrau von einst. Und der desorientierte Mann? Der flüchtet sich zunehmend in das jetzt gleichberechtigte „Konstrukt“ der Homosexualität.
Widerspruch zwischen Priviligierung des Fremden oder der Frau
Darüber hinaus gibt es einen spezifisch bundesdeutschen Helden-Haß, an dem sogar der friesische Freiheitsheld Pidder Lüng verzweifeln müßte. Dessen Lebensmotto „Lever düad üs Slaav“ („Lieber tot als Sklave“) ist unvereinbar mit der „meutenhaften Gesinnung“ des deutschen „Schrumpfmannes“, der sich in Zivilcourage übt, der „Magerstufe des Muts für Verlierer“ (Peter Sloterdijk). Lichtjahre liegen zwischen seiner Sklavenmoral und dem Heldenmut des Berliner Dompropstes Bernhard Lichtenberg, der im KZ starb, weil er öffentlich gegen die Judenverfolgung protestiert und auf die Frage nach seiner Haltung zu Hitler erklärt hatte: „Er ist nicht mein Führer.“ Klonovsky dazu: „Was für eine herrliche Weltsekunde! Was für eine Courage! In diesem einen Satz steckt mehr Mut, als die deutsche Nachkriegs-Antifa in ihrer gesamten trostlosen Existenz aufgebracht hat.“
In der Unfähigkeit des modernen Nicht-Helden, das Eigene zu verteidigen, kann Klonovsky nicht einmal eine Schwundstufe preußischer Toleranz erkennen. Die unheroische und gegenderte Gesellschaft produziert neue Widersprüche, die sie vor die Entscheidung stellen zwischen der Privilegierung der Fremden („maskuline Zuwanderer aus vitaleren Kulturkreisen“) oder der Bevorzugung der Frau.
Gruppenvergewaltigung als Ausdruck von Vitalität?
Doch ist sie zur Entscheidung überhaupt noch fähig? Die suizidierte Jugendrichterin Kirsten Heisig schreibt in ihrem Buch „Das Ende der Geduld“ von Fällen „übelster sexueller Erniedrigung“ durch Zuwanderer, „in denen die Opfer gleichzeitig orale und anale Penetrationen durch mehrere Täter ertragen mußten, bevor man sie, aus vielen Körperöffnungen blutend, wie einen unnützen Gegenstand zurückließ.“ Die Taten würden mit dem Handy gefilmt und wie eine Trophäe vorgeführt, den Opfern durch Todesdrohungen ihr Schweigen abverlangt. Und kein deutscher Siegfried ist in Sicht, der Schutz gewährt oder für die beleidigte Ehre eine Genugtuung verschafft.
Im Gegenteil, im Berliner Tagesspiegel verbreitete sich ein Journalist – ein Mann, wohlgemerkt – über die ausländischen Jugendbanden: „Sie sind jung, mutig, mobil, hungrig, risikobereit. Solche Menschen braucht das Land. Natürlich ist es nicht schön, wenn Jugendliche – ob mit türkischem oder libanesischem Hintergrund – in den Straßen von Berlin Banden bilden, Reviere verteidigen und mit Messern hantieren. Aber hinter der Kritik an ihrem Verhalten verbirgt sich oft bloß der Neid derer, die Vitalität als Bedrohung empfinden (…) Lieber ein paar junge, ausländische Intensivtäter als ein Heer von alten, intensiv passiven Eingeborenen.“
Demütigung ist zur sexuellen Lust geworden
Geht es hier noch um die Berechnung, durch vorauseilenden Gehorsam am künftigen Siegerrecht teilzuhaben? Oder ist dem abgetakelten Helden seine Demütigung schon zur sexuellen Lust geworden? Laut dem taz-Redakteur Martin Reichert haben die „Türken-Prolls“, die „gnadenlose Unterwerfung in Sneakers und Ghetto-Wears anbieten“, in der Schwulenszene den Typus des „Lichtenberger Skins“ als Zielobjekt des erotischen Begehrens abgelöst. Der homosexuelle Mann schätze deren „Formen traditioneller Männlichkeit, u. a. breitbeiniges Gehen, an den Sack fassen, auf den Boden spucken, Frauen verachten“. Die Frage ist, wie weit dieses Empfindungsmuster repräsentativ ist und die Entwicklung eine biopolitische Dimension erreicht hat.
Vielleicht entschließt Klonovsky sich zu einem „Nachruf. Zweiter Teil“ und greift diesen Aspekt darin auf?
JF 36/11
> Michael Klonovsky: Der Held. Ein Nachruf. Diederichs Verlag, München 2011, broschiert, 144 Seiten, 14,99 Euro.