BERLIN. Deutschland hat seinen zehnten Platz in der Rangliste der Länder mit der größten Pressefreiheit verloren. Wie aus einem Bericht der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) hervorgeht, rutschte Deutschland auf Platz elf ab. Insgesamt stellte die Organisation im vergangenen Jahr 75 physische Angriffe auf Journalisten fest – die meisten davon in Berlin.
Pro-Palästinensische Demonstrationen waren dem Gutachten zufolge mit 38 registrierten gewalttätigen Übergriffen „der gefährlichste Ort“ für Journalisten. Allein 40 Prozent der körperlichen Attacken in Deutschland richteten sich ausschließlich gegen zwei Reporter, die von Pro-Palästina-Demos berichteten. Seit der Corona-Pandemie habe sich die Debattenkultur in Deutschland stark verschlechtert, worunter auch die Arbeitsbedingungen von Journalisten gelitten hätten. ROG führte daher 60 qualitative Interviews mit Journalisten durch.
Demnach erzählten vor allem Reporter, die den Nahost-Konflikt begleiteten, „von außergewöhnlichen Belastungen und Druck – von außen wie innerhalb von Redaktionen“. Personen, die zu diesem Thema berichteten, stünden einerseits vor einem verengten Meinungskorridor und ermüdenden redaktionellen Auseinandersetzungen. Andererseits beklagten sie eine „übermäßige mentale Dauerbelastung“.
Angriffe von rechts, aber nicht von links?
Viele Journalisten hätten außerdem Angst, kritische Einschätzungen abzugeben oder umstrittene Themen zu benennen – insbesondere hinsichtlich des Nahost-Konflikts –, da befürchtet wurde, einen medialen Shitstorm zu ernten.
Zudem wurden 21 gewalttätige Angriffe aus dem rechtsextremen Spektrum registriert. Diese hätten sich laut ROG hauptsächlich bei „Naziaufmärschen, rechten Demonstrationen oder AfD-Veranstaltungen“ ereignet. Dezidiert linksextremistisch motivierte Übergriffe werden in dem Bericht nicht genannt.
Pressefreiheit hat sich weltweit verschlechtert
Zwar stehe Deutschland im weltweiten Vergleich noch gut da, es gebe aber „sichtbare Herausforderungen“, teilte ROG mit. Platz eins belegte zum neunten Mal in Folge Norwegen. Estland kletterte auf Rang zwei, gefolgt von den Niederlanden auf dem dritten Platz.
Besonders schlecht sei die Pressefreiheit nach wie vor im Iran und Syrien. China rutschte um sechs Plätze auf Rang 178 von 180 ab. Die Schlußlichter bildeten Nordkorea (179) und Eritrea (180). Lediglich in sieben Ländern sei die Lage der journalistischen Freiheit gut, in 35 Ländern noch zufriedenstellend. Bei 48 Nationen bestünden bereits erkennbare Probleme und in 90 der 180 beobachteten Länder sei die Situation für Journalisten entweder „schwierig“ oder sogar „sehr ernst“. (rsz)