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Filmfiktion und Realität: Der große Strippenzieher

Filmfiktion und Realität: Der große Strippenzieher

Filmfiktion und Realität: Der große Strippenzieher

Der Leichnam von Papst Franziskus liegt aufgebahrt im Petersdom. Vor der Beisetzung am Samstag 26.04.25 können Besucher am offenen Sarg den verstorbenen Papst noch einmal sehen.
Der Leichnam von Papst Franziskus liegt aufgebahrt im Petersdom. Vor der Beisetzung am Samstag 26.04.25 können Besucher am offenen Sarg den verstorbenen Papst noch einmal sehen.
Der Leichnam von Papst Franziskus liegt aufgebahrt im Petersdom: Wie im Film? Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Filmfiktion und Realität
 

Der große Strippenzieher

Selten wirkte der Tod eines Papstes so filmreif inszeniert wie diesmal. Werden wir Opfer einer medialen Dauerberieselung, die uns überall gespenstische Zusammenhänge erkennen und Zufälle neu deuten läßt? Oder ist hier ein überzeitlicher Organisator am Werk, den man nicht im Schauen, sondern nur im Glauben erfassen kann?
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„Abgang mit Stil“ lautet der Titel einer US-Gaunerkomödie aus dem Jahr 2017, in der es darum geht, daß drei abgetakelte Herren noch einmal einen großen Auftritt hinlegen. Ein Klamauk, der wenig mit der Würde zu tun hat, mit der Papst Franziskus I. seiner sterblichen Hülle den letzten großen öffentlichen Auftritt abrang. Und doch paßt der Filmtitel kongenial zu dem „Urbi et orbi“-Segen, den eine überirdische Gnade den verstorbenen Papst am Tag vor seinem Tod der Welt noch einmal spenden ließ. Jedenfalls muß schon ein knallharter Atheist sein, wer bei dieser Konstellation nicht zumindest die Möglichkeit einer transzendenten Macht in Erwägung zieht, die hier am Werke war.

Kein dramaturgisch versierter Hollywood-Autor hätte sich diesen Abgang mit Stil besser ausdenken können: den dramatischen, nahezu aussichtslosen und gerade deswegen so heroischen Kampf des Kirchenoberhaupts gegen eine tückische Krankheit, das Lostreten einer kolossalen Gebetslawine durch die Mobilisierung der Gläubigen aller Nationen und schließlich tatsächlich das erhoffte Wunder: der gepeinigte Papst, der sich siegreich aus den Laken des Todesringens erhebt und sich den Weg hinaus aus den Mauern der Gemelli-Klinik, die diesem Mann des Volkes, diesem „Papa mobile“, wie ein Gefängnis, ein Internierungslager vorkommen mußte, zurück in den Vatikan erobert.

Eine Sternstunde der Kirchengeschichte

Mose teilte das Meer, Franziskus erteilte dem Tod eine Lektion, nicht mit der strahlenden Siegesmacht des auferstandenen Christus freilich, sondern in der Schwäche, mit der der Apostel Paulus sich immer wieder kennzeichnete und zu der sich jeder Christ im vollen Bewußtsein seiner grundsätzlichen Hinfälligkeit immer wieder bekennen darf, weil in den Schwachen die Kraft Christi mächtig ist, wie es Paulus im 2. Korintherbrief schreibt: „Wenn ich schwach bin, so bin ich stark.“

Für den gläubigen Christen war die Rückkehr des Heiligen Vaters in die päpstlichen Gemächer deshalb ein Triumph. Was folgte, war eine Sternstunde der Kirchengeschichte: Ausgerechnet das höchste, das strahlendste, das triumphalste Fest der Christenheit zeigt den Papst, wie er den Mächten der Zeitlichkeit und des Zerfalls einen letzten großen Sieg abtrotzt, von Schwäche gezeichnet und doch – wieder Paulus – „siehe, wir leben“ (2. Korinther 6,9).

Den Todesschatten des finsteren Tals nicht gefürchtet

So klar wie dem Apostel, als er diese Zeilen verfaßte – denn er spricht von Leben für „die Sterbenden“ –, muß indes auch dem Papst gewesen sein, von welchem Leben bei solchem Jubel nur die Rede sein kann, nämlich von jenem Leben, für das Sterben keine Niederlage ist, weil es mit diesem erst beginnt. „Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn“, schreibt Paulus im Philipperbrief. So klar wie dem stets vom Tod umfangenen Missionar aus Tarsus war auch Franziskus, daß sein irdisches Zelt vor dem Abbruch stand. Die versagende Stimme, als er die Segensworte spricht, sie sind die Schwäche, welcher Paulus sich rühmt.

Franziskus hat diesen Auftritt, von dem alle Ärzte abrieten, gewollt. Er hat den Todesschatten des finsteren Tals, in das jeder Gläubige einmal gerät und das wir aus dem 23. Psalm kennen, nicht gefürchtet. Ist doch Ostern das Fest der Verheißung, daß die Grenzen, die der Tod uns setzt, nicht unüberwindlich sind.

Mehr Symbolik geht nicht

Kann man triumphaler abtreten als mit der Feier der Auferstehung und des Lebens, zu denen Christus dem Gläubigen den Weg gebahnt hat an jenem geheimnisvollen dritten Tag? Für gläubige Christen ist Gott so etwas wie der größte Regisseur des Universums mit den Naturgesetzen als Regieassistenten.

Wenn der Stellvertreter Christi am Ostersonntag einem Vermächtnis gleich den Ostersegen spricht und am Ostermontag im vollen Bewußtsein der Verheißung ewigen Lebens in die von ihm geglaubte Vollendung seiner Existenz eintritt, kann man sich vorstellen, wie sie darauf kommen. Denn mehr Symbolik geht nicht. Es ist, ob gläubig oder nicht, schwer, bei dieser Interaktion von Kalender und Kairos (dem griechischen Wort für die „erfüllte Zeit“) keine meisterliche Regieleistung zu attestieren.

„Zufall ist in Wirklichkeit nur Mangel an Information“

Und das ist nicht die einzige verblüffende Duplizität dieser Tage. Konnte der in Wolfsburg geborene Regisseur Edward Berger schließlich ahnen, daß sein Film „Konklave“, der ein paar Wochen vor Weihnachten in die Kinos kam und Anfang März, als der Papst bereits in der römischen Gemelli-Klinik behandelt wurde, mit dem Oscar für das beste adaptierte Drehbuch ausgezeichnet wurde, den Tod des Papstes und das anschließende Konklave in große zeitliche Nähe zu den tatsächlichen Ereignissen stellen würde?

„Zufall ist in Wirklichkeit nur Mangel an Information“, lautet eine Filmweisheit, die man hier nur allzu bereitwillig heranzuziehen geneigt ist, um dem Glauben an einen großen überirdischen Regisseur Ausdruck zu verleihen, der irgendwo unsichtbar die Strippen zieht.

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Wieviel „Konklave“ nsteckt in der Konklave?

Die Verfilmung des Romans von Robert Harris, der bereits im Jahr 2016 erschienen ist und gemessen an den weltpolitischen Ereignissen, die zu Beginn der Dreharbeiten die Herzen der Menschen bewegten (ein schwerkranker Heiliger Vater gehörte nicht dazu), nicht unbedingt gerade jetzt nach einer Verfilmung schrie, nimmt nun, bei aller romanesken Überzeichnung und Dramatisierung, einiges von dem vorweg, was sich hinter den verschlossenen Türen, die der Name „Konklave“ bezeichnet, in wenigen Tagen abspielen dürfte: das Tauziehen um den künftigen Kurs der Kirche.

In Bergers Film avanciert zunächst der schwarze Kardinal Adeyemi (Lucian Msamati) zum Favoriten im Wettbewerb um den höchsten Posten in der katholischen Christenheit. Wird es erstmals einen Pontifex vom afrikanischen Kontinent geben? Adeyemi stolpert schließlich über eine vertuschte unkoschere Geschichte. Und in der Wirklichkeit? Da wabert gerade der Name des Erzbischofs von Kinshasa, Fridolin A. Besungu, durch die Gerüchteküche.

Stanley Tucci und Sergio Castellitto verkörpern im Film die klassischen Antipoden des radikalen Reformers und des erzkonservativen Bewahrers des Glaubens, trotz augenfälliger Zugeständnisse an die antiklerikale Verschwörungstheoretikerszene sehr überzeugend übrigens. Tatsächlich bedarf es keines Übermaßes an Phantasie, um sich vorzustellen, daß ein ähnlicher Antagonismus, wenn auch, hoffentlich, weniger intrigant exerziert, für das anstehende Konklave durchaus ein bestimmender Faktor sein wird. Nur die Theorie vom ermordeten Papst findet in der Wirklichkeit wohl keine Entsprechung.

Verschwörungen haben viele Gesichter

In dem Kammerspiel des Regisseurs aus Wolfsburg ist es am Ende ein Transgender-Kardinal, der das Rennen macht oder – man soll ja nie zu viel verraten – das Rennen zu machen scheint. Ein solcher Ausgang, der Wasser auf die rotten Mühlen des synodalen Irrwegs um Georg Bätzing und seine noch abgedrehteren Kollegen von der Deutschen Bischofskonferenz wäre, wird der weltweiten Christenheit dann aber wohl doch erspart bleiben, wenn schließlich der berühmte weiße Rauch aufsteigt.

Selbst säkulare deutsche Medien pfeifen es ja bereits von den Dächern, daß die extremistischen Hirngespinste der deutschen Bischöfe in der katholischen Weltkirche als exzentrische Ausreißerposition wahrgenommen werden, die fast so viel Stirnrunzeln auslöst wie der rätselhafte Tod des Filmpapstes in Edward Bergers „Konklave“. Verschwörungen haben eben viele Gesichter.

Der Leichnam von Papst Franziskus liegt aufgebahrt im Petersdom: Wie im Film? Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler
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