Graues Herbstwetter umhüllt die Universität Paderborn. Es ist der letzte Freitag im November, als der Mathematikprofessor Bernhard Krötz verärgert seine Übungsgruppe für den Nachmittag absagt. Zu wenige Studenten erscheinen noch zu dem Termin für Lineare Algebra I – immerhin beginnt das Wochenende eines Studenten schon am Donnerstagabend.
„Hoffe, daß wir die zehn kleinen Negerlein nicht weiter singen müssen“, kommentiert der renommierte Hochschullehrer in der E-Mail. Eine Anspielung auf den Zählreim, der seit beinahe 140 Jahren im Deutschen bekannt ist. Eine Kritik an den abnehmenden Teilnehmerzahlen und sinkenden Absolventenzahlen. Eine „Entgleisung, gewollte Provokation und Diskursverschiebung“ interpretiert ein Teil der Paderborner Studentenschaft.
In einem offenen Brief, unterzeichnet von linken Hochschulgruppen, Parteijugend der Grünen und der Linkspartei, dem „Feministischen Kollektiv“, der „Seebrücke“ sowie zahlreichen Fachschaften, werden eine Entschuldigung, disziplinarrechtliche Schritte und eine klare Stellungnahme der Universität gefordert. Schnell wird das Schreiben von der örtlichen Presse, einem Onlineportal für Lehrer und dem Spiegel aufgegriffen.
Eine Debatte über Kinderlieder?
Doch Krötz ist wenig beeindruckt. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT rechnet er vor: „Diese Gruppen machen nur einen Bruchteil der Studenten aus.“ Anlaß für eine öffentliche Rechtfertigung gebe es allein deshalb nicht. Und: „Es liegt nicht in meinem Interesse, eine öffentliche Debatte über Kinderlieder zu führen.“ Darauf hätte sich der Hochschulprofessor auch in einem kurzen Gespräch mit der Universitätsleitung verständigt. „Die haben mich korrekt behandelt“, sagt er der JF.
Dennoch brodelt es in der Gerüchteküche der Paderborner Universität. „Man beabsichtigt, mir Pflichtveranstaltungen im Grundstudium vorzuenthalten“, berichtet Krötz. „Daß dies mit der Freiheit von Forschung und Lehre kollidiert, wird im Eifer ganz vergessen.“ Trotz etwaiger versuchter Schienbeintritte bleibt der Professor gefaßt. „Aquila non captat muscas ist einer meiner Wahlsprüche, und das wird auch so bleiben.“ Ein Adler fängt eben keine Fliegen.
Steuergeld-Institut cancelt Professor Krötz
Rund 430 Kilometer südlich von Paderborn wird die Cancel-Forderung der linken Studentenschaft begierig aufgegriffen. Das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach (MFO) sagt eine einwöchige Veranstaltung mit Krötz ab. „Diese Vorgänge sind vollkommen unvereinbar mit den Werten und Standards unseres Instituts“, teilt MFO-Pressesprecherin Tatjana Ruf auf JF-Anfrage mit.
Finanziert wird das Forschungsinstitut beinahe ausschließlich durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Land Baden-Württemberg. Eine konkrete Summe kann oder will Ruf nicht beziffern. Ein Verweis auf den Netzauftritt führt ins Leere: Auch dort läßt sich kein Betrag finden.
Hielt das Institut vor der Absage der Veranstaltung Rücksprache mit Krötz? „Nein“, sagt der Professor. Keine Antwort von MFO-Sprecherin Ruf. Für den Hochschullehrer ist daher klar: „Oberwolfach war für eine solche Auseinandersetzung nicht vorbereitet und Direktor Huisken, übrigens ein Mitglied vom Netzwerk Wissenschaftsfreiheit, handelte im Kurzschluß.“
Steht die Professur auf dem Spiel?
Mit Blick auf seine Zukunft an der Universität Paderborn ist klar: Die Angriffe werden nicht aufhören. Denn der Professor ist schon länger im Visier linker Agitatoren. Seit Jahren schießt er gegen neue didaktische Modelle, die er unter dem Begriff „Bullshit Science“ summiert. Als Paradebeispiel führt er „Sprachsensiblen Mathematikunterricht“ an.
Mit dem Etikett „Rassist“ wolle man ihn nun aus der Debatte entfernen. „Es zeigt, die Gegenseite hat keine Argumente mehr“, erklärt er gegenüber der JF. Daher werde nun zum Argumentum ad hominem gegriffen. Um seine Professur muß er sich hingegen nicht fürchten. Denn seine Aussagen sind strafrechtlich nicht relevant.