„Es gibt Menschen, die geizen mit ihrem Verstande, wie Andere mit ihrem Geld“, schrieb einst der Journalist und Revolutionär Ludwig Börne aus seiner französischen Wahlheimat Paris. Wie sein Zeitgenosse Heinrich Heine engagierte sich der 1786 geborene Schriftsteller zeitlebens für die demokratische Revolution in Deutschland.
Auch wegen seiner Verdienste um die Entstehung des deutschen Feuilletons ist 1993 ein Literaturpreis nach dem Intellektuellen benannt worden, der in der Folge an Größen wie die beiden Philosophen Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski, den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki oder den Journalisten Frank Schirrmacher verliehen wurde.
Ein Vizekanzler für Börnes demokratische Revolution?
Diese illustre Reihe hätte beispielsweise mit der Schriftstellerin Juli Zeh oder dem Autor Dietmar Dath bestens fortgesetzt werden können. Beide verfügen über ein mannigfaltiges Oeuvre, daß sowohl der Tradition eines kritischen Journalismus, als auch dem Geist der demokratischen Revolution nahesteht. Der tatsächliche Preisträger des Jahres 2023 heißt aber Robert Habeck.
Ob ein amtierender Vizekanzler glaubhaft für ein Stück revolutionäres Erbe deutscher Geschichte stehen kann, sei mal dahingestellt. Fakt ist, daß Habeck – im Gegensatz zu Koryphäen wie Zeh oder Dath – kein nennenswertes literarisches Schaffen vorzuweisen hat. Mit seinen literaturwissenschaftlichen Arbeiten und den Romanen aus seiner Feder hebt sich der Klima- und Wirtschaftsminister in der Tat von vielen seiner Politikerkollegen ab. Aus einem literarischen Politiker wird deshalb aber noch lange kein politischer Literat.
Kaube: Habeck erkämpft „Freiräume durch Nachdenklichkeit“
In der Begründung der Preisvergabe streicht FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube den philosophischen Stil von Habecks Politik heraus und erläutert, der Grüne sei einer der großen Politikerklärer unserer Zeit. Der Blattmacher warnt eindringlich vor der Gefahr, daß politische Debatten heutzutage nur noch von Narrativen und nicht mehr von Argumenten beherrscht werden. Habeck rage unter denjenigen heraus, die sich dieser Entwicklung „als Politiker und politischer Publizist“ widersetzten.
„In den Zwängen der Politik erkämpft er sich auf beeindruckende Weise Freiräume durch Nachdenklichkeit“, unterstreicht Kaube seiner Zeitung zufolge. Das lasse ihn in der Tradition des politischen Publizisten Ludwig Börne stehen.
Ein Glanzstück Ideologie
Mit dieser Begründung verwischt der Medienkenner jedoch die Grenzen zwischen der Macht auf der einen Seite und der Literatur auf der anderen. Gerade weil Robert Habeck das Amt des Wirtschaftsministers und Vizekanzlers bekleidet, verwandelt sich seine nachdenkliche Rhetorik in ein Machtinstrument besonderen Typs.
Wenn in diesem Winter zehntausende Menschen wegen der horrenden Strom- und Heizkosten in die Armut hineinrutschten, dann war das nicht zuletzt die Schuld der Bundesregierung – der Habeck angehört. Diesen Umstand mit dem Hinweis auf dessen nachdenkliche Rhetorik zu verschleiern, ist ein Glanzstück Ideologie.
Habecks Nachdenklichkeit schlägt oftmals in Nonsens um
Abgesehen davon scheint es mit der Nachdenklichkeit des Wirtschaftsministers bei Lichte besehen nicht eben weit her zu sein. Erinnert sei stellvertretend an dessen Äußerungen in der ARD, laut der eine Bäckerei, die nicht mehr verkaufen könne, deshalb nicht gleich zwangsläufig insolvent sei.
Der studierte Philosoph dachte damals laut im Fernsehen nach: „Dann sind die nicht insolvent automatisch, aber sie hören vielleicht auf zu verkaufen“. An diesem Punkt schlägt Reflexion offen in Stumpfsinn um. Was nur zu deutlich zeigt, daß die von Kaube gerühmte Nachdenklichkeit des Vizekanzlers im Grunde nur ein rhetorischer Anstrich ist.
„Manche Menschen sparen an Verstand, wie andere am Geld“, sagte der revolutionäre Demokrat Börne damals. Wenn man sich das Preisgeld in Höhe von schlappen 20.000 Euro anschaut, das der Vizekanzler für seine „Nachdenklichkeit“ einheimst, kann man bilanzieren: Zumindest an Geld spart die Jury des Börne-Preises nicht.