Das Traurige am Demokratieabbau, der Entmündigung des Souveräns, ist, daß dieser davon in der Regel nichts bemerkt. Man spricht auch vom Boiling-Frog-Syndrom, der das bekannte Phänomen beschreibt, daß ein Frosch, den man in einen Kochtopf mit kaltem Wasser setzt, dessen langsame Erhitzung nicht bemerkt. Wenn das Wasser kocht, ist es zu spät.
So ist es auch mit der Gender-Ideologie, die nun allmählich die Maske der Menschenfreundlichkeit abwirft. So gerade geschehen in Berlin, der Experimentierstube für linksextrem motivierte Transformationsschikanen. Berlin ist der Ort, wo ein Vater klagen muß, damit sein Kind in der Schule nicht gegen seinen Willen zur Verwendung der Gendersprache gezwungen wird. Und die FU Berlin, die ironischerweise frei genannte Universität, ist der Ort, wo ein neomarxistisch dominiertes Studentenparlament einen Antrag des CDU-nahen Rings Christlich-Demokratischer Studenten abgelehnt hat, weil dieser nicht systemkonform in Gendersprache verfaßt war.
Fast muß man dankbar sein, daß die totalitären Transformatoren endlich ihre menschlichen Masken fallen lassen und die häßliche Fratze der Repression sichtbar wird, die von Anfang an das wahre Gesicht dieser Jakobiner des 21. Jahrhunderts war. Das vielfach vorgebrachte Argument der Geschlechtsrevisionisten und Sprachkorrektoren, es werde ja niemand zum Gendern gezwungen, löst sich nach und nach in Luft auf, billige Tünche, die von den Fassaden blättert.
Partizip führt Absurdität der Gender-Sprache vor
Wenn an Universitäten aus ideologischen Gründen jahrzehntelang krude Fantasiewissenschaften gefördert werden, die mit den exakten Wissenschaften nicht mehr gemeinsam haben als Frau Holle mit der meteorologischen Wettervorhersage, kann dabei nichts Gutes herauskommen. Doch wer keine politische Macht hat, muß sich fügen. Ihm bleibt nur, mit wissenschaftlichen Fakten für seinen Gegenstandpunkt zu werben und zu hoffen, daß infolgedessen am Ende der Torheit doch kein totaler Sieg gelingt und das Schlimmste vielleicht doch verhütet werden kann. Deshalb soll an dieser Stelle die politisch-ideologische Dimension des Phänomens Gender in den Hintergrund treten und in überblickhafter Form lediglich auf die wesentlichen linguistischen Defekte der Sprachrevision eingegangen werden.
Problem 1: das Partizip
Das Partizip, das die Genderisten propagieren, weil es im Plural keinen Geschlechterunterschied erkennen läßt („die Geflüchteten“ und „die Flüchtenden“) ist gebunden an den Aspekt der Gleichzeitigkeit (Partizip 1) respektive der Vorzeitigkeit (Partizip 2). Deswegen ist, um beim Beispiel zu bleiben, ein Flüchtling, der in einer Unterkunft in Deutschland untergekommen ist, in diesem Moment kein Flüchtender mehr, weil die Handlung, die das Partizip 1 beschreibt, mit jeder Form der Ankunft abgeschlossen ist.
Hört er das Wort „Forschende“, das neuerdings anstelle der patriarchal belasteten Berufsbezeichnung „Forscher“ benutzt wird, entsteht beim Rezipienten der sprachlichen Mitteilung die Vorstellung von Menschen im Labor. Gibt der Forscher indes dem ZDF ein Interview, ist er in diesem Augenblick wegen des Aspekts der Gleichzeitigkeit, den das Partizip 1 impliziert, kein „Forschender“, sondern ein Redender oder Auskunft Gebender.
Verwirrung um „innen“ und „Innen“
Überdies hat das Partizip als Form des Verbs eo ipso Tätigkeitscharakter, das heißt, die Handlung, die das Verb beschreibt, muß auch ausgeführt werden. Hier besteht ein substantieller Unterschied zum stammverwandten Nomen. Unfreiwillig komisch wirkte daher der Satz „Wählende blieben zuhause“ aus der Zeit. Gemeint waren Wähler, die nicht gewählt, also die Tätigkeit, die das Verb zum Ausdruck bringt, gar nicht ausgeübt hatten. Aus demselben Grund kann ein Trinker abends zu Hause vor dem Fernseher sitzen und dabei Chips futtern. Ein Trinkender kann dagegen kein Chips Futternder sein, weil er nur einen Mund hat.
Demonstranten können auf der Wache von der Polizei vernommen werden, Demonstrierende können das nicht, weil sie in diesem Moment von Demonstrierenden zu Vernommen Werdenden geworden sind. Einen „Anwohnenden“ schließlich gibt es gar nicht, da das Verb „anwohnen“ gar nicht existiert und wenn ein Verb nicht existiert, kann man von ihm auch kein Partizip ableiten.
Problem 2: Das Morphem „innen“
Erheblich größere Probleme, weniger inhaltlicher, dafür struktureller Art erwarten den Sprachverwender beim angehängten „innen“. (Anstelle der umstrittenen Gendermarkierungssymbole * : _ wird nachfolgend die Abkürzung IS für Ideologiesymbol verwendet.) Erstens existiert das gebundene Morphem (die sprachliche Einheit) „innen“, das nun künstlich zum Gleichstellungsgaranten aufgebläht werden soll, im Deutschen bereits als freies Morphem mit der Bedeutung „Gegenteil von außen“.
Sobald nun vor dem gebundenen, Plural indizierenden Morphem „innen“ eine Pause entsteht, wird es zum freien Morphem, dem Adverb „innen“, samt entsprechender Bedeutungszuweisung. Wenn also bei Olympischen Spielen laut Reporterkommentar „Sportler innen“ ihr Bestes geben, sorgt das beim Rezipienten für Verwirrung, vor allem wenn es sich um Winterspiele handelt und die Sportler Skiläufer sind.
Gender-Konstruktion ist schnell im Eimer
Weitere Probleme ergeben sich daraus, daß sich gerade das Deutsche als flexionsreiche Sprache miserabel für morphologische Manipulationen eignet. Eine Vielzahl von Deklinations- und Pluralbildungsklassen stehen, anders als in flexionsarmen Sprachen wie Englisch oder Mandarin, im Weg. Sie treiben Menschen, die Deutsch nicht als Muttersprachler sprechen, in Sprachkursen aller Niveaustufen zur Verzweiflung. Was im Dativ „Den Ingenieur[IS]innen wurde geholfen“ funktioniert, geht im Akkusativ auf einmal nicht mehr: In „Die Ingenieur[IS]innen wurden unterstützt“ ist nämlich der männliche Plural „Ingenieure“ nicht realisiert. Schon das Weglassen eines Artikels kann im Deutschen dafür sorgen, daß die schöne Gender-Konstruktion, die eben noch so herrlich funktionierte, im Eimer ist.
Während also bei „Die Polizeibeamt[IS]innen verhafteten viele Klimaschützer“ mit der Endung „innen“ eine Pluralmarkierung für Männer und Frauen erkennbar ist, sieht es bei der Schlagzeile „Polizeibeamt[IS]innen verhaften Klimaschützer“ schon ganz anders aus: Es fehlen die Männer, weil die Pluralform „Polizeibeamte“ nirgends realisiert ist. Daß gegenderte Nomen Frauen stärker ins Bewußtsein rücken, ist unbestritten; doch meist auf Kosten der Männer. Denn die künstliche Sprechpause wird im Alltag oft verschluckt oder nicht lang genug eingehalten, um beim Rezipienten anzukommen.
Sabotiert wird das Begehren einer generalisierten Gendermarkierung durch „[IS]innen“ vor allem durch die komplexen deutschen Pluralbildungsregeln. In Pluralformen wie „Dieb[IS]innen“, „Französ[IS]innen“, „Chef[IS]innen“ oder „Gött[IS]innen“ – alle genannten Nomen gehören in ihrer Grundform unterschiedlichen Mehrzahlbildungsklassen an – werden, um im Jargon der Gender-Jakobiner zu bleiben, Männer „unsichtbar gemacht“. Mit welcher geistigen Beschränktheit über solche Sprachbarrieren hinweggebulldozert wurde, zeigt ein Blick in das „barrierefreie“ Wahlprogramm der Grünen. Offenbar hat man Fehler wie „Bäuer[IS]innen“ oder „regionale Akteur[IS]innen“ beim Abfassen des Parteipamphlets nicht einmal bemerkt. Scheuklappen im Dauereinsatz!
Deutsch ist ungeeignet für Gender-Manipulation
Daß mit „[IS]innen“ regelhaft mal nur der weibliche Plural („Jakobiner[IS]innen“), mal in Doppelfunktion zugleich der männliche realisiert sein soll, das wiederum in morphologisch uneinheitlicher Form („Nachbar[IS]innen“, „Professor[IS]innen“) macht Genderdeutsch zu einer Rätselsprache, bei der der Rezipient die Lösung selber finden muß.
Ein letzter Punkt, auf den viele bereits hingewiesen haben: In der Wortbildung funktioniert das Deutsche synthetisch und ist auch aus diesem Grunde für die Gender-Manipulation denkbar ungeeignet. Das Satire-Kompositum „Bürger[IS]innenmeister[IS]innenberater[IS]innen“ sagt diesbezüglich alles und bedarf keiner weiteren Erläuterung.