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Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

Auftritt in Wiesbaden: „Pussy Riot“ und der Gratismut deutscher Künstler

Auftritt in Wiesbaden: „Pussy Riot“ und der Gratismut deutscher Künstler

Auftritt in Wiesbaden: „Pussy Riot“ und der Gratismut deutscher Künstler

Pussy Riot
Pussy Riot
Die Punkband „Pussy Riot“ während ihres Auftritts Foto: Kaiser
Auftritt in Wiesbaden
 

„Pussy Riot“ und der Gratismut deutscher Künstler

In Deutschland ist im Kunstbetrieb beim „Kampf gegen Rechts“ problemlos alles möglich. In anderen Teilen der Welt riskieren Künstler mit ihren Meinungsäußerungen Haftstrafen. Die russische Punkband „Pussy Riot“ berichtete in Wiesbaden von Erfahrungen aus ihrem Heimatland.
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„Wir singen nur ein Lied über Zensur“, trällerten einst „Die Ärzte“. Es war der vermeintlich harmlose Refrain eines ihrer ironieschwangeren Punk-Pop-Lieder, in dessen Strophen die Band dann Inzest, Sodomie und die „Gründung einer terroristischen Vereinigung“ als Dinge aufzählt, die ganz klar nicht propagiert würden. Die Grenze der Kunstfreiheit ist und war immer wieder eines der zentralen Themen auch und gerade in der modernen Musik. Ozzy Osbourne biß während eines „Black-Sabbath“-Konzerts einst einer lebenden Fledermaus den Kopf ab. Die Band „Rammstein“ spielt ihrem Genre „Neue Deutsche Härte“ entsprechend gerne mit dem Image des häßlichen Deutschen und der Grusel-Rocker Marilyn Manson verbrennt auf der Bühne regelmäßig eine Bibel.

Aktuell versucht der Rapper Tarek Ebéné mit einer brutalen und zugleich ziemlich billigen Provokation auf sich aufmerksam zu machen. Im Musikvideo zu seinem neuen Song „Nach wie vor“ metzelt das Mitglied der Hip-Hop-Combo „KIZ“ mehrere AfD-Politiker nieder. Die Schauspieler, die unverkennbar Alice Weidel, Alexander Gauland und Björn Höcke darstellen sollen, werden von dem Musiker mit Schwert und asiatischem Wurfstern regelrecht abgeschlachtet. Nicht nur sein zynisches Lächeln läßt erahnen, wie rebellisch sich der in Freiburg, Valencia und Berlin aufgewachsene Halb-Kameruner fühlt.

Dabei ist sein Video weder innovativ noch in irgendeiner Weise besonders mutig. Mord und Totschlag sind spätestens seit US-Rapper Eminem fester Bestandteil der Musik-Videokultur. Haß und Gewaltphantasien gegenüber der AfD sind inzwischen so sehr Teil des Mainstreams geworden, daß einem öffentlich-rechtliche Journalisten dafür auf die Schulter klopfen und sogar Netflix schon eine eigene Unterhaltungsserie rund um das Thema produziert hat.

„Pussy Riot“ zu Gast in Wiesbaden

„Nach wie vor“ spiegelt daher vielmehr den Gratismut wider, der inzwischen geradezu symbolhaft geworden ist für die Künstler, die sich im Zuge der Postmoderne mehr und mehr zu Tode gesiegt haben. Der „Kampf gegen Rechts“ kam da als neues Betätigungsfeld gerade recht. Endlich konnten die Künstler wieder gegen etwas sein. Sie durften die Attitüde ihrer Teenagertage neu aufleben lassen, ohne noch einmal nachdenken zu müssen. Karriere und Einkommen mußten sie auch nicht mehr riskieren.

Die Musiker erzählten die Bandgeschichte nach Foto: Kaiser

Deutlich anders sieht die Sache für Künstler in den weniger freien Teilen der Welt aus. Während der Veranstaltungsreihe „Riot Days“ lud die Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit Ende vergangener Woche nach Wiesbaden ein, um über die Situation der Kunstfreiheit in Rußland zu sprechen. Dreh- und Angelpunkt des Abends in der hessischen Landeshauptstadt war das Konzert und die anschließende Podiumsdiskussion mit der russischen Punkband „Pussy Riot“. Sie thematisierten auch das bis heute nicht nur in Rußland umstrittenen „Punkgebet“ in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale.

Bühnenstück erzählt Geschichte der Band

Stilistisch ging das Künstlerkollektiv in Wiesbaden nicht gerade subtil vor. Öffentliche Masturbation, das bespritzen der Zuschauer mit Wasser und jede Menge Zerstörungswut, weckten beim Publikum die Aufmerksamkeit, die die Gruppe für ihre Botschaft wollte. In einer Art avantgardistischem Theaterstück, untermalt von elektronischen Sounds und Livemusik, erzählten die Künstler die Geschichte von „Pussy Riot“.

Häufig sind es aber gerade diese Provokationen und Überspannungen, mit denen die Gruppe ihre eigenen politischen Botschaften selbst überschattet. Wie im Frühjahr 2008, als das damals im neunten Monat schwangere Bandmitglied Nadeschda Andrejewna Tolokonnikowa eine Gruppensex-Orgie im Moskauer Museum für Biologie veranstaltete. Daß die Gruppe mit ihrem Protest in der Christ-Erlöser-Kathedrale so viele Sympathien auch bei erklärten Putin-Gegnern verspielt hat, liegt an diesem fanatischen Willen zur schier grenzenlosen Provokation begründet.

In ihrem musikalischen Bühnenstück berichtete die Gruppe von den ausführlichen Vorbereitungen für ihr umstrittenes „Punkgebet“ in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, das zur Verhaftung der Bandmitglieder Jekaterina Samuzewitsch, Marija „Mascha“ Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa führte. Auch der anschließende Prozeß und der Einsatz für die Rechte von Strafgefangenen in Rußland waren Thema der Darbietung.

Zwar ist bis heute nicht völlig klar, was die Gruppe im wichtigsten Gotteshaus der russisch-orthodoxen Kirche tatsächlich genau gesagt und getan hat und welche Bild- und Tonelemente nachträglich in dem von ihr erstellten Video hinzugeschnitten wurden. Aber der Auftritt an sich war schon vulgär genug, um bei vielen Menschen religiöse Gefühle zu verletzen. So betraten die jungen Frauen den Ambo der Kathedrale, was ohne ausdrückliche priesterliche Einladung für Privatpersonen nicht gestattet ist. Ihr sogenanntes Punk-Gebet „gegen die Allianz von Kirche und Staat“ vollzogen sie vor dem Altar und riefen dabei, das gilt als gesichert, „schwarze Kutten, goldene Epauletten“ und „Gottesscheiße!“

Zwei Jahre Haft für „Punkgebet“

Eine der kreischenden Frauen von damals ist heute die lauteste Stimme der Gruppe, die oft zu Unrecht inhaftiert wurde. Marija Aljochina ist eine der Sängerinnen der Band und Autorin des autobiografischen Buchs „Riot Days“, das dem Bühnenstück seinen Namen gab. Sie war 2012 nach der Aktion im wichtigsten Gotteshaus der russisch-orthodoxen Kirche selbst wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“ zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt worden.

Teilnehmer der Podiumsdiskussion zum Thema „Kunstfreiheit in Rußland“ Foto: Kaiser

Die in Moskau geborene Musikerin stand interessierten Gästen nach dem Konzert auch noch bei der anschließenden Diskussionsveranstaltung „Punk meets Posh“ mit weiteren Ausführungen zur Situation in Rußland zur Verfügung. Auch der Produzent und langjährige Wegbegleiter der Band, Alexander Cheparukhin, saß auf dem Podium. Er machte deutlich, daß er die Performance in der Kirche selbst deutlich kritischer sah. Damit spiegelte er wider, was große Teile der Bevölkerung in ihrer Heimat über „Pussy Riot“ denken.

Putin schränkt Kunstfreiheit ein

Unabhängigen Umfragen zufolge habe die russische Bevölkerung das „Punkgebet“ sehr negativ empfunden, analysierte der Leiter des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Moskau, Julius Freytag-Loringhoven. Der Prozeß und die Verurteilung wegen des kurzen Videoclips sei vielen Mitgliedern der liberalen russischen Gesellschaft aber deutlich zu weit gegangen.

Die Freiheit der Kunst hatte gerade im Rußland der Nach-Sowjetzeit einen hohen Stellenwert. Dies machte auch Cheparukhin noch einmal sehr deutlich. Er habe das Land nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als das für Künstler freieste Land der Welt erlebt; weitaus freier als die USA oder viele Länder Europas. Dies habe sich unter Putin aber dramatisch geändert.

Die Punkband „Pussy Riot“ während ihres Auftritts Foto: Kaiser
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