Wieviel Meinungsfreiheit darf es sein? Darf ein Liberaler auch wertkonservative Ansichten vertreten? Ausgerechnet in der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft sorgen diese Fragen nun für Streit. Ausgangspunkt ist ein Beitrag der Vorsitzenden Karen Horn in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS), in der sie vor einer Unterwanderung der Liberalen durch „Reaktionäre“ warnte. In der JUNGEN FREIHEIT, der FAS und Eigentümlich frei erschienen daraufhin Debattenbeiträge von Erich Weede, Günter Ederer sowie André F. Lichtschlag, die Horn widersprachen.
Wen sie mit „Reaktionären“ meinte, blieb allerdings im unklaren. Bis jetzt. Problematisch seien Organisationen, die „politisch heikel am rechten Rand“ stünden, schrieb Horn in einer E-Mail an die Mitglieder, die der JF vorliegt. Namentlich werden die JF und das libertäre Magazin Eigentümlich frei genannt. Mitglieder der Hayek-Gesellschaft sollten sich davor hüten, unter Verweis auf ihre Mitgliedschaft in den beiden Zeitungen zu schreiben.
Horn, der vereinsintern seit längerem ein „autokratischer Führungsstil“ vorgeworfen wird, sieht sich nun heftiger Kritik ausgesetzt. „Die Entwicklung unserer Hayek-Einrichtungen bereitet mir Kummer“, schrieb der Wirtschaftsphilosoph Gerd Habermann der Journalistin ins Stammbuch. Habermann ist Vorsitzender der Friedrich August von Hayek-Stiftung. Die Stiftung verwaltet einen großen Teil des Vermögens, aus dem die Aktivitäten der gleichnamigen Gesellschaft finanziert werden. Ohne ihn geht nichts.
„Generalangriff auf unser bisheriges Selbstverständnis“
Habermann, der ausgerechnet Mitglied des Redaktionsbeirats von Eigentümlich frei ist, setzte der 48jährigen nun die Pistole auf die Brust: „Hat Hayek nicht den Wert von Traditionen und Sitten als geronnenen Werthaltungen betont? Gewiß ist er da auch nur einer der von ihr abgelehnten ‘Wertkonservativen’!“ Im Klartext: Horns Angriff auf die „Reaktionären“ ist auch eine Attacke auf den 1992 verstorbenen Nobelpreisträger.
Habermann spricht deswegen von einem „Generalangriff“ auf „unser bisheriges Selbstverständnis“. Eine „fruchtbare Zusammenarbeit mit ihr ist nun wohl kaum mehr möglich“. Unterstützung erhält er via E-Mail von zahlreichen Mitgliedern. „Wir brauchen keinen wissenschaftlich verbrämten Gesinnungs-Tüv, sondern den ungehinderten, fruchtbaren Austausch von Argumenten“, fordert etwa Vera Lengsfeld.
„Die Wahrheit ist doch die, daß die liberale Position immer stärker mainstreamisiert beziehungsweise sozialdemokratisiert wird“, schrieb der Ökonom Thorsten Polleit. Dieser „Zeitgeist“ dürfe in die Hayek-Gesellschaft nicht einziehen. Zudem kursiert vereinsintern eine Rücktrittsaufforderung an Horn, die von 20 namhaften Mitgliedern unterzeichnet wurde.
Denunziation von Liberalen und Konservativen?
Vor allem Horns Kritik an Eigentümlich frei wirft Fragen auf. Das libertäre Magazin räumt dem Denken Hayeks und seinen Anhängern stets großen Raum ein. In der aktuellen Ausgabe findet sich zudem eine Anzeige der Hayek-Gesellschaft. Weiß Horn davon nichts?
Chefredakteur André F. Lichtschlag, selbst Mitglied der Hayek-Gesellschaft, zeigte sich irritiert über den Angriff aus den eigenen Reihen. „Sie können sich vermutlich vorstellen, welchen nicht zuletzt auch wirtschaftlichen Schaden Sie riskieren, wenn Sie Worte wie ‘heikel am rechten Rand’ nutzen, die ansonsten von linken Extremisten zur Denunziation von Liberalen und Konservativen gebraucht werden“, schrieb er an Horn. „Liebe Frau Horn, ich wünsche mir, daß Sie zu einem angemessenen Umgang unter Liberalen zurückfinden. Wir haben im ‘schleichenden Sozialismus’, wie Roland Baader die Entwicklung so treffend nannte, wahrlich genug Gegner da draußen.“
Allerdings ist Horn mit ihrer Meinung nicht gänzlich isoliert. Ergebenheitsadressen kamen unter anderem vom Leiter der Wirtschaftsredaktion der Neuen Zürcher Zeitung, Peter A. Fischer, und vom Ökonomen Wolfgang Kerber.
Kein Widerspruch zwischen Liberalismus und Wertkonservatismus
Der Volkswirt Ulrich van Suntum, Botschafter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, versuchte zu vermitteln. „Wertkonservatismus steht zum Liberalismus keineswegs im Widerspruch, im Gegenteil. Eine liberale Gesellschaft ohne gemeinsame Werte würde zur Anarchie und kann nicht funktionieren.“ Für „Putin-Freunde“ und „blinde Amerika-Hasser“ sei dagegen in der Hayek-Gesellschaft kein Platz. Sie könnten keine Liberalen sein.
Horn lehnt einen Rücktritt trotz des zerrütteten Verhältnisses zu Habermann ab. Dennoch wird die Luft für sie dünner. Am kommenden Freitag treffen sich die rund 350 bis 400 Mitglieder in Leipzig. Dabei könnte es auch um Horns Zukunft gehen. Klar ist: Ohne die von Habermann verantwortete Stiftung mit ihrem Vermögen wäre die Hayek-Gesellschaft trotz Spenden und einem Mitgliedsbeitrag von 75 Euro im Jahr nur noch eingeschränkt handlungsfähig.