Hurra, Deutschland ist ein Einwanderungsland. Wie gut, daß es so viele Zuwanderer gibt. So gingen die medialen Jubelarien, nachdem das Statistische Bundesamt die vorläufigen Wanderungszahlen für 2012 bekanntgegeben hatte. Demnach sind im Vorjahr so viele Zuwanderer wie seit 1995 nicht mehr nach Deutschland gekommen – eine knappe Million in absoluten Zahlen, netto fast vierhunderttausend, wenn man die Fortzüge abrechnet; nimmt man deutschstämmige Zuzügler und Rückkehrer dazu, wird die Millionengrenze sogar geknackt.
Mit verdächtig uniformer Begeisterung werden aus diesem Anlaß die üblichen Propagandamythen und Beschwörungsformeln heruntergebetet. Das seien ja genau die Immigrantenzahlen, die Deutschland „aus demographischen Gründen“ benötige, frohlockt die Zeit, wie üblich Quantität mit Qualität verwechselnd.
Ein rosarotes Wunschbild mit mehreren Haken
Um das zu belegen, wird vor allem der starke Anstieg der Zuzugszahlen aus den Mittelmeer-Krisenländern hervorgehoben. Aus Spanien sei der größte Zuwachs zu verzeichnen, 45 Prozent, fast genauso hoch aus Portugal, Griechenland, Italien. Klingt beruhigend: Wenn aus uns kulturell nahestehenden Ländern junge und qualifizierte Leute die EU-Freizügigkeit nutzen und vor der grassierenden Arbeitslosigkeit nach Deutschland ausweichen, gibt es zumindest weniger Integrationsprobleme, und vielleicht profitiert ja sogar die Wirtschaft, die beständig nach Verstärkung jammert.
Das rosarote Wunschbild hat allerdings gleich mehrere Haken. Erstens: Zuwanderer aus den genannten vier Krisenstaaten, die zur „alten EU“ vor der Osterweiterung gehören, machen gerade einmal zwölf Prozent der Gesamtimmigration im Vorjahr aus. Die 45 Prozent zusätzlichen Zuzügler aus Spanien etwa sind gerade mal 9.000 Personen, ihr Einfluß auf die Demographie also minimal.
Ein „Fachkräftemangel“ um den Preis der Arbeit zu drücken?
Schließlich kamen 2012 über vierzig Prozent der Zuwanderer aus den osteuropäischen Neumitgliedstaaten Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien; gerade aus den beiden letztgenannten Ländern zieht es bekanntlich nicht nur Ärzte und Ingenieure, sondern in hohem Maße Armutseinwanderer in die Sozialsysteme nach Deutschland.
Den „Fachkräftemangel“ wird man so nicht beheben; fraglich ist, ob es ihn – Haken Nummer zwei – überhaupt so dramatisch gibt, wie die Wirtschaftslobby behauptet. Der Verdacht liegt nahe, daß gerade die lautesten Rufer nach ausländischen „Hochqualifizierten“ einfach das Arbeitskräfteangebot vergrößern wollen, um den Marktpreis der Arbeit zu drücken. Jedes zweite Unternehmen denkt übrigens gar nicht daran, ausländische Mitarbeiter anzuwerben; gerade in kleinen Belegschaften mit hohen Ansprüchen an Fertigkeiten und Ausbildung sind die Leute eben nicht global austauschbar.
Seltsam übrigens, daß sich am „Fachkräftemangel“ nichts geändert haben soll, trotz EU-Freizügigkeit und obwohl Deutschland zu den Ländern mit den niedrigsten Hürden für Hochqualifizierte zählt, die Anerkennung ausländischer Abschlüsse drastisch vereinfacht hat und bereits seit mehreren Jahren wieder deutliche „Zuwanderungsüberschüsse“ aufweist.
So vertreibt man die eigenen Leistungsträger
Vielleicht liegt das ja nicht an fehlender „Willkommenskultur“, wie Wirtschaftsverbände mutmaßen, sondern daran, daß Spitzenkräfte hier weniger verdienen und stärker besteuert werden als anderswo, um einen teuren Sozialstaat zu finanzieren, der großzügig jeden versorgt, auch wenn er nie zur Solidargemeinschaft beigetragen hat, und daher permanent überfordert ist. So lockt man Kostgänger an und vertreibt die eigenen Leistungsträger: Auch 2012 sind wieder mehr Deutsche abgewandert als zurückgekehrt.
387.000 Ausländer sind 2012 netto nach Deutschland zugewandert, im Jahr davor waren es noch 303.000. Die Zahlen sagen nicht, ob die Betroffenen vorübergehend oder auf Dauer gekommen sind, und auch nichts über Qualifikation und Arbeitsaufnahme. Doch der Trend zeigt klar in Richtung Bevölkerungsaustausch. Daß der – anders als Multikulturalisten wie der CDU-Vizevorsitzende Armin Laschet noch immer stereotyp verkünden – die demographischen Probleme vor allem der Sozialsysteme nicht löst, sondern eher noch verschärft, ist der dritte Haken.
Unsere Einwanderung ist ein volkswirtschaftliches Minusgeschäft
Die Rechnung ist einfach: Wenn die – im Vergleich zu den „Babyboomern“ der Wirtschaftswunderjahre – halbierten Alterskohorten der jetzt Geborenen zunehmend von Einwanderergruppen vor allem aus dem moslemisch-orientalischen Kulturraum dominiert werden, die deutlich höhere Arbeitslosen-, Sozialhilfe- und Schulabbrecherquoten aufweisen, wer soll dann künftig den Karren noch ziehen? Der bis jenseits der Schmerzgrenze besteuerte Rest?
Jedes dritte Kind unter fünf Jahren komme aus einer Zuwandererfamilie, verkündete kürzlich die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer, und in manchen Bundesländern brauche jedes zweite dieser Kinder gezielte Sprachförderung, um später überhaupt der Schule folgen zu können. Man muß kein Ökonom sein, um auszurechnen, daß Einwanderung, die eine enorme Sozialindustrie hervorbringt, statt selbstverständliche Integrationsleistungen von den Einwanderern selbst zu verlangen, ein volkswirtschaftliches Minusgeschäft ist. Und man muß wohl Profiteur dieser Sozialindustrie sein, um zu glauben, daß noch mehr davon trotzdem alles richten kann.
Nein, Deutschlands Problem ist nicht zuwenig Zuwanderung, sondern daß diese verkehrt oder gar nicht gesteuert wird und daß die daraus zwangsläufig folgenden Fehlentwicklungen so lange ignoriert und wegbeschönigt wurden, bis sie aus dem Ruder gelaufen sind. Solange diese Ursachen nicht angepackt werden, sind alle „Demographiegipfel“ und alles Gerede über „Welcome Center“ nicht nur überflüssig, sondern eine fahrlässige Verlängerung des Vertuschens und Beschweigens.
JF 21/13