Anzeige
Anzeige

Kinofilm-Kritik: Schwarze Leben zählen

Kinofilm-Kritik: Schwarze Leben zählen

Kinofilm-Kritik: Schwarze Leben zählen

In einem schummrigen Raum sind mehrere schwarze Männer zu sehen – es handelt sich um eine Szene aus dem Film "Blood and Sinners"
In einem schummrigen Raum sind mehrere schwarze Männer zu sehen – es handelt sich um eine Szene aus dem Film "Blood and Sinners"
Die Hauptfigur Sammie (mitte) läßt sich mit teuflischen Kräften ein. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited
Kinofilm-Kritik
 

Schwarze Leben zählen

Hier haben Schwarze das Sagen: „Blood & Sinners“ ist eine ganz auf das farbige Amerika zugeschnittene Mischung aus Gangster- und Gruselfilm. Verbirgt sich hier sogar eine Osterbotschaft?
Anzeige

Clarksdale, Mississippi, im Jahr des Herrn 1932. Der musikbegeisterte Sammie (Miles Caton), Sohn eines schwarzen evangelikalen Pastors, schafft es einfach nicht, die Gitarre an den Nagel zu hängen. Sein Vater hält die wilden Rhythmen, die der Junge aus seiner Klampfe herauslocken kann, für Teufelswerk und warnt ihn eindringlich: „Verlaß den Weg der Sünde. Laß die Gitarre fallen. Wenn du ständig mit dem Teufel tanzt, dann folgt er dir eines Tages nach Hause.“

Hätte er nur auf ihn gehört! Aber der Jungspund kann ja nicht wissen, was der Zuschauer schon im Prolog zu dem Film erfahren hat, als eine Art Handreichung zum besseren Verständnis dessen, was sich später auf der Leinwand noch so tun wird: „Es gibt Legenden über Menschen, die durch Musik den Schleier zwischen Leben und Tod zerreißen.“ In Afrika heißen sie „griots“. Der Haken an dieser seltenen Sonderbegabung: Sie locken mit ihrer Musik auch Dämonen an.

„Blut und Sünder“ – das klingt nach einer ganz und gar österlichen Botschaft, die Dämonen das Fürchten lehrt, nach Paul Gerhardts „Haupt voll Blut und Wunden“, dem berühmten Kirchenlied über die von Christus getragene Schuldenlast des Sünders. Leidensgeschichten wird es in dem Film tatsächlich noch einige geben. Aber erst mal läßt Autor und Regisseur Ryan Coogler die Dämonen in der Trickkiste.

Bald bewahrheit sich die Warnung des Pastors

Und die christliche Botschaft entstellt er mit der Gemeinde von Sammies Vater Jeb zum Kirchenkritiker-Klischee. Dafür fängt die Kamera die endlosen Baumwollfelder des ländlichen Mississippi ein, die im Sonnenlicht weiß glänzen. Ein Panorama nach Maß als Hintergrund für die Geschichte der berüchtigten Smokestack-Zwillinge, die nach sieben Jahren in Chicago mit einem Laster voller Alkohol nach Clarksdale zurückgekommen sind, um eine Spelunke zu eröffnen.

Dazu haben sie in dem einst vom Ku-Klux-Klan tyrannisierten Landstrich eine alte Mühle gekauft, die nun umgewidmet wird. Die vielen Afroamerikaner, die auf den Baumwollfeldern schuften, sind, so die Berechnung von Stack und Smoke (beide dargestellt von Michael B. Jordan), für die geplante Bar eine dankbare Kundschaft. Und mit ihrem musikalischen Neffen Sammie, dem Pastorensohn, haben sie ein echtes Naturtalent entdeckt, das für die nötige Stimmung sorgen kann.

Und tatsächlich: Der Eröffnungsabend wird zu einem rauschenden Fest. Der ohnedies schon verschwenderische Einsatz von Musik, der den Film gleichsam zum Grusical macht, erreicht seinen Höhepunkt. Doch dann bewahrheitet sich die Warnung von Pastor Jeb, und aus dem rauschenden Fest wird eine Nacht der lebenden Toten …

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Weiße sind Vampire oder Klanmitglieder

Der farbige Filmemacher Ryan Coogler, der als Regisseur des dreifachen Oscargewinners „Black Panther“ (2018) und des Boxerfilms „Creed: Rocky’s Legacy“ (2015) bereits sein Händchen für afroamerikanische Themen und Befindlichkeiten unter Beweis gestellt hat, legt mit „Blood & Sinners“ (Originaltitel: „Sinners“) erneut einen Film vor, der stark auf das „Black Lives Matter“-Publikum zugeschnitten ist. Weiße sind hier entweder ehemalige Ku-Klux-Klan-Mitglieder oder zu Vampiren mutierte Unheilsbringer.

Was er in diese Drehbuch-Konstellation so alles hineininterpretieren möchte, ist jedem Zuschauer selbst überlassen. Immerhin eines wird klar: Die Vampire achten bei der Wahl ihrer Opfer nicht auf Hautfarben. Mit Antirassismus-Checkliste in der Hand schwarze Leben zählen, die den Biestern zum Opfer fallen, muß also keiner.

Der 38jährige Kalifornier selbst versteht sein Werk in erster Linie als „Liebesbrief an all das, was ich am Kinobesuch liebe, als Cineast“, und nicht als politisches Pamphlet. Im Interview verweist er auf seine eigenen Jugenderfahrungen, das „Sitzen in einem abgedunkelten Raum voller Fremder und das absolute Erschrecken über etwas, das auf der Leinwand passierte“.

Es ist vor allem die erste Filmhälfte, die begeistert

In diesen Momenten, so schildert es Coogler, wurzelt seine Liebe zum Horrorgenre, zu Filmen wie Steven Spielbergs „Jurassic Park“ aus dem Jahr 1993 (auch wenn das gar kein klassischer Gruselfilm sei), Stanley Kubricks „Shining“ (1980) oder „Get Out“ (2017) von seinem Kollegen Jordan Peele, und er habe es gar nicht erwarten können, „eines Tages meinen eigenen zu machen“.

Es ist jedoch vor allem die gruselfreie erste Filmhälfte, die an „Blood & Sinners“ zu begeistern weiß. Als weitgehend realistische Provinzganovenballade mit fein gezeichneten Figuren zwischen blitzenden Baumwollfeldern und kühnen Kleinstadtszenen erinnert „Blood & Sinners“ an „Lawless – Die Gesetzlosen“ (2012). Und es ist fast ein wenig schade, daß Cooglers Faszination für das Horrorgenre ihn dazu verleitet hat, seine vielversprechende Geschichte anschließend im Kunstblut einer trivialen Gruselgroteske zu ertränken.

„Oh Mann, das ist mal was anderes“

Sein Hauptdarsteller Michael B. Jordan, der auch schon beim „Schwarzen Panther“ ganz oben auf der Besetzungsliste stand und in „Creed “die Titelfigur des Adonis Johnson alias Creed spielte, lobt den Regisseur, mit dem er bereits zum fünften Mal zusammenarbeitete, als Vollprofi: „Wir kommen so gut miteinander aus, weil er jemand ist, den ich wirklich, wirklich lange kenne. Und wenn du mit deinen Freunden arbeitest, willst du sie keinesfalls enttäuschen. […] Wenn er anruft, nimmst du also den Hörer ab und hörst wirklich zu, was er zu sagen hat, denn er weiß, was er tut. […] Ich habe mir die Inhaltszusammenfassung von ‚Blood & Sinners‘ angehört, und ich dachte: ‚Oh Mann, das ist mal was anderes.‘ Und ich war anfangs ein wenig nervös, weil das wahrscheinlich die abenteuerlichste Rolle ist, die ich bislang gespielt habe.“

Immerhin bekommt es Jordan in seiner Doppelrolle als Smoke und Stack gleich zweifach mit den finsteren Unterweltwesen zu tun. Abenteuerlich mutet aber vor allem das Filmskript an, dem etwas mehr Seriosität und etwas mehr Osterbotschaft gutgetan hätten. Oder glaubt irgendein Sünder da draußen allen Ernstes, er überwindet das Böse mit Knoblauch?

Filmstart: 17. April

Die Hauptfigur Sammie (mitte) läßt sich mit teuflischen Kräften ein. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag