„Der Straßenkarneval ist eröffnet“, schallte es am Donnerstag pünktlich um 11 Uhr 11 unter dem Jubel der Jecken vom Balkon des Düsseldorfer Rathauses. Trotz des Regens war der Rathausvorplatz überfüllt. Kurz darauf kam es zum ritualisierten „Kampf“ zwischen Venetia Melanie und dem als Wagenknecht verkleideten Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU). Der verlor erwartungsgemäß, woraufhin dutzende Frauen das Rathaus „stürmen“ konnten, um Männern die Krawatten abzuschneiden. Und auch abseits des Rathauses, etwa am nahe gelegenen Burgplatz, waren tausende von Karnevalisten feuchtfröhlich feiernd unterwegs.
Der Moment hatte den Sicherheits- und Ordnungsbehörden lange im Voraus Kopfschmerzen bereitet. Wie groß die Kopfschmerzen in diesem Jahr waren, zeigte sich an der Ankündigung des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul, den diesjährigen Karneval mit rund 62.000 Polizisten schützen zu wollen. Welche Dimension dies darstellt, ergibt sich aus Vergleichen: NRW verfügt insgesamt über etwa 47.000 Polizeikräfte. Regulär sind an den Karnevalstagen zwischen 30.000 und 40.000 Polizisten notwendig. In der vergangenen Silvesternacht waren landesweit rund 6.600 Kräfte im Einsatz.
Damit hatte Reul nicht weniger gemacht, als ein zu Karneval nie dagewesenes Polizeiaufgebot anzukündigen. „Das Risiko für Anschläge war selten so hoch wie heute, abstrakt gesehen. Das liegt an der internationalen Lage mit den Kriegen in Israel und der Ukraine“, sage der CDU-Politiker zur Begründung. „Wenn es durch das aktuelle Geschehen elektrisierende Funken gibt, wie zum Beispiel die Tötung von Hamas-Führern oder andere Vorgänge, kochen die Emotionen hoch.“ Potentielle Täter sollen durch eine „massive Polizeipräsenz in den Feierzonen“ abgeschreckt werden, kündigte Reul an.
Flächendeckend Polizei
Tatsächlich aber ging die Düsseldorfer Polizei am Donnerstag vormittag ungleich geschickter und durchdachter vor, als es die martialische Ankündigung ihres Ministers vom Vortag vermuten ließ. So war die massive Polizeipräsenz in der Altstadt zwar auf den ersten Blick nirgendwo zu erblicken. Gleichzeitig aber waren überall in der Innenstadt einzelne Mannschaftswagen zu sehen. Hinzu kam, daß sich ständig Polizisten in Gruppen unter die Feiernden mischten. Auf diese Weise gelang es den Beamten, die Situation faktisch flächendeckend im Auge zu behalten – ohne gleichzeitig feiernde Karnevalisten durch allzu massives Auftreten zu verschrecken.
Eine ähnliche Strategie verfolgte die Polizei offenbar auch in Köln. Dort waren am frühen Nachmittag auf der Domplatte fast nur feiernde Karnevalisten zu erblicken. Auch vor dem Dom war keinerlei besondere Bewachung zu erkennen. Die wenigen Polizeiwagen, die sichtbar zwischen Dom und Hauptbahnhof abgestellt waren, wirkten wenig abschreckend.
Polizeiaufgebot in der Hinterhand
Daß sich jedoch am Rand der Feierzone bereits eine Beweissicherungseinheit plaziert hatte, dürfte kaum einer der Feiernden bemerkt haben. Ebenso wenig wie das eigentliche Aufgebot der Polizei, das aus einer Einsatzhundertschaft sowie mehr als dreißig Fahrzeugen bestand und sich am Breslauer Platz, auf der anderen Seite des Bahnhofs in unmittelbarer Nähe der Wache der Bundespolizei, positioniert hatte. Hier waren nur wenige Feiernde unterwegs.
Der Anblick dieses Aufgebots ließ jedoch für einen kurzen Moment erahnen, worauf sich die nordrhein-westfälische Polizei an diesem Tag tatsächlich vorbereitet und wo sie die größten Probleme befürchtet hatte. Gleiches gilt für die unweit der „Partymeile“ Zülpicher Straße gelegene Kölner Synagoge, die am Donnerstag wieder durch Absperrungen geschützt wurde. Die Kölner Polizei hatte bereits im Vorfeld versprochen, daß die Synagoge „besonders gesichert“ werde. Ähnlich wie bei den Ankündigungen von Herbert Reul schimmerte auch hier für einen kurzen Moment durch, welche Klientel den nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden derzeit die meisten Kopfschmerzen bereitet.
Ein friedliches Karneval
Die aber schien am Altweiber-Donnerstag gar kein Interesse zu haben. Selbst in Köln blieb es bei eher karnevalstypischen und alkoholbedingten Delikten wie Streitereien und Schlägereien. Die Lage sei „überdurchschnittlich unauffällig“, hieß es am Nachmittag von Seiten der Polizei. „Wenn es dabei bleibt, hatte der Regen auch sein Gutes“, kommentierte ein örtliches Medium schnell. Abends hieß es, daß weniger Jecken als im Vorjahr unterwegs waren.
Bilanziert wurden bis dahin 18 Strafanzeigen wegen Körperverletzungsdelikten. Außerdem wurden vier Sexualdelikte angezeigt, bei denen Frauen begrapscht wurden sowie eines wegen exhibitionistischer Handlungen. Eine solche Bilanz kann in Köln durchaus als überdurchschnittlich unauffällig gewertet werden.