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Museum für angewandte Kunst Wien: Gertie Fröhlich: Zauber, Poesie und Mythen

Museum für angewandte Kunst Wien: Gertie Fröhlich: Zauber, Poesie und Mythen

Museum für angewandte Kunst Wien: Gertie Fröhlich: Zauber, Poesie und Mythen

Fröhlichs Kunst: „Freundliche Wirkung auch bei melancholischen Motiven“ Foto: Fröhlich Estate
Fröhlichs Kunst: „Freundliche Wirkung auch bei melancholischen Motiven“ Foto: Fröhlich Estate
Fröhlichs Kunst: „Freundliche Wirkung auch bei melancholischen Motiven“ Foto: Fröhlich Estate
Museum für angewandte Kunst Wien
 

Gertie Fröhlich: Zauber, Poesie und Mythen

Eine Retrospektive der österreichischen Künstlerin Gertie Fröhlich im Museum für angewandte Kunst Wien begeistert trotz politischer Vereinnahmung mit freundlicher Kunst auch bei melancholischer Motivwahl.
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Kleine Ausstellungen bergen bisweilen unentdeckte Perlen. Die aktuelle Schau im Wiener „Museum für angewandte Kunst“ ist ein solcher Schatz. Gezeigt werden Arbeiten der 2020 verstorbenen Galeristin und Graphikerin Gertie Fröhlich.

Einen einzigen Wermutstropfen bietet die Schau. Denn auch in ihr ist bisweilen der Zeitgeist allzu deutlich zu spüren, jede künstlerische Tätigkeit von Frauen in ein feminististisches Deutungsschema zu pressen. Unbestritten war Fröhlich eine selbstbewußte und beruflich engagierte Frau. Unbestritten hat ihre Kunst ein ausgesprochen weibliches Erscheinungsbild. Dabei hätte man es belassen können. Stattdessen fabulieren nicht nur einige Zeitzeugen in einem dort präsentierten Dokumentarfilm von Fröhlichs Tochter Marieli über Feminismus. Auch die Ausstellungstexte dichten Fröhlich in einen solchen Kontext. Über die Neubewertung von weiblicher Identität ist da zu lesen, über Fröhlichs „Beitrag zur Wiener Avantgarde und zum feministischen Diskurs der Nachkriegsmoderne“, von „männlicher Dominanz“ und vom „Ausbrechen aus gesellschaftlichen Zwängen“.

Dieses zwanghafte Pressen in ein feministisches Korsett aber tut Gertie Fröhlichs Kunst Unrecht. Ihre Arbeiten spielen mit der weiblichen Sicht, präsentieren Frauen als Heldinnen, aber sie sind nicht politisch. Die Bilder entführen vielmehr in eine märchenhafte Welt voller Zauber und Poesie.

Fluchterfahrung als Kunstquelle

Gertie Fröhlich wurde 1930 in Kláštor in der Slowakei geboren. Am Ende des Zweiten Weltkriegs floh die Familie nach Oberösterreich. Diese Fluchterfahrung und die Sehnsucht nach der Heimat ihrer Jugend sind in den traumhaften Bildern nächtigender Frauen vor Gebirgslandschaften erahnbar, so etwa der „Liegenden“ von 1972 oder bei der „schlafenden Hirtin“ von 1977, die an Henri Rousseaus „schlafende Zigeunerin“ erinnert. Diese Sehnsucht schimmert auch in den Bildern schwebender Frauen durch, die von den Motiven Marc Chagalls inspiriert wirken. „Daß wir nie mehr dorthin zurück kommen, haben wir nicht gedacht. Ich bin aber oft im Traum über unser Haus geflogen“, äußerte Fröhlich 2019.

Die großbürgerliche Herkunft dürfte dazu beigetragen haben, daß Fröhlich, trotz gegenteiligen Willens ihres Vaters, in der Nachkriegszeit eine künstlerische Laufbahn einschlug. Sie studierte an der Kunstgewerbeschule Graz und an der Wiener Akademie der bildenden Künste, wo sie mit dem „Phantastischen Realismus“ in Berührung kam.

Gertie Fröhlich machte aus ihrer Wohnung einen Kunstsalon

1954 arbeitete Fröhlich als Sekretärin Otto Mauers, des katholischen Dompredigers von St. Stephan. Mauer sammelte Kunst, und so kam Fröhlich in Kontakt zu der Tochter des jüdischen Galeristen Otto Kallir. Dessen Galerie wollte Fröhlich eigentlich übernehmen, doch wurde ihr der Wunsch – offenbar aufgrund ihres jugendlichen Alters – verwehrt. So überredete sie Otto Mauer, die Galerie zu übernehmen und sie zur Kuratorin und Organisatorin der Ausstellungen zu ernennen. Durch ihr Akademiestudium konnte sie so namhafte Kollegen ihrer Zeit in die Galerie ziehen und diese zu einem Raum für die Kunstavantgarde verwandeln.

1956 bezog sie ihre legendäre, zugleich als Atelier dienende Wohnung in der Sonnenfelsgasse 11. Diese wurde zum Treffpunkt der österreichischen Nachkriegskunstszene. Unter anderem gingen dort Martin Kippenberger, Hermann Nitsch, Helmut Qualtinger, Arnulf Rainer, Hans Hollein und André Heller, mit dem sie künstlerisch zusammenarbeitete, ein und aus. Die Ausstellung schreibt: „Eigentlich handelt es sich um einen Kunstsalon im klassischen Sinne, obwohl Gertie Fröhlich ihn nicht so bezeichnet: Hier wird gegessen, getrunken, diskutiert, experimentiert – manchmal auch gebadet oder campiert, man bedient sich aus ihrem großen Kleiderkoffer.“

Freundliche Wirkung auch bei melancholischen Motiven

Doch Besucher sollten nicht abgeschreckt sein. Gertie Fröhlich verweigerte sich in ihren eigenen Werken komplett allen avantgardistischen Moden und Verirrungen. Stattdessen arbeitete sie in einem ganz eigenständigen Stil, der von der Auseinandersetzung mit Mythologie, Volkskunst und Geschichte geprägt war. Ihre gegenständlichen Aquarelle sind auf wesentliche Personenkonstellationen und eine vereinfachte Hintergrundlandschaft reduziert. Die leichte, freundliche Wirkung dominiert auch bei melancholischen Motiven. So beispielsweise bei den aufs Meer blickenden „Wartenden“ von 1978. Antike Sagen wurden von ihr humorvoll uminterpretiert. Ein nicht untypisches Sujet der Nachkriegsjahrzehnte, als die antiken Mythen noch zum bürgerlichen Bildungskanon gehörten. So nutzt bei Gertie Fröhlich die kretische Königstochter Ariadne den Wollfaden nicht, um Theseus den Weg aus dem Labyrinth zu weisen, sondern fesselt damit einfach den Minotaurus.

Die Wiener Schau präsentiert neben den Zeichnungen zahlreiche preisgekrönte Plakate, die Fröhlich für das Österreichische Filmmuseum entworfen hat. Dafür wählte sie auch einst dessen bekanntes Museumslogo aus, die frühneuzeitliche Phantasiefigur des Zyphius, ein sowohl an Land wie im Wasser lebendes Wesen. Als Zugabe werden im MAK zwei monumentale Wandteppiche der Künstlerin für das Bildungshaus St. Virgil in Salzburg präsentiert.

 


Die Ausstellung „Gertie Fröhlich. Schattenpionierin“ ist bis zum 3. März 2024 im Wiener Museum für angewandte Kunst, Stubenring 5, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, dienstags bis 21 Uhr,  zu sehen. Telefon. 0043 / 1 / 7 11 36-0

 www.mak.at 

JF 49/23 

Fröhlichs Kunst: „Freundliche Wirkung auch bei melancholischen Motiven“ Foto: Fröhlich Estate
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