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Hip-Hop und elektronische Tanzmusik: Eurodance: Er ist wieder da

Hip-Hop und elektronische Tanzmusik: Eurodance: Er ist wieder da

Hip-Hop und elektronische Tanzmusik: Eurodance: Er ist wieder da

Der Berliner Rapper Finch knüpft an den Eurodance an.
Der Berliner Rapper Finch knüpft an den Eurodance an.
Der Berliner Rapper Finch knüpft an den Eurodance an Foto: picture alliance / FLORIAN WIESER / APA / picturedesk.com | FLORIAN WIESER
Hip-Hop und elektronische Tanzmusik
 

Eurodance: Er ist wieder da

Für die einen ist er nostalgische Kindheits- und Jugenderinnerung. Für die anderen steht er für musikalisch dunkle Zeiten, Geschmacksverirrungen, die später Fremdscham auslösen. Der Eurodance. Und der ist dank Deutschrap wieder zurückgekehrt.
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Für die einen ist er nostalgische Kindheits- und Jugenderinnerung, der erste Sound im Radio, CD-Regal und auf der Clubtanzfläche. Für die anderen steht er für musikalisch dunkle Zeiten, Geschmacksverirrungen, die später Fremdscham auslösen. Der Eurodance.

Doch ob bewußt, gehaßt oder unfreiwillig an jeder Ecke damit zugedrönt: die typisch europäische Mischung aus elektronischer Tanzmusik, kurzen souligen Gesängen und Rap-Parts hat eine ganze Epoche vom Ende der Achtziger bis Ende der Neunziger begleitet und mitgeprägt, Trance- und House-Klänge in die Charts gespült und Hip-Hop teilweise den Weg in den Mainstream geebnet. Und Eurodance ist wieder da. Ausgerechnet wiederbelebt von denjenigen, die ihn damals oft als nicht real und zu kommerziell belächelt haben: Rappern.

Denn Mitte der Achtziger war die neu aufkommende, aus den USA importierte Hip-Hop-Kultur noch tiefste Nische und für deutsche Gemüter kaum greifbar. Und wenn etwas an die breitere Öffentlichkeit gelangte, dann experimentierten, ja vielmehr blödelten Mundart-Schlagersänger, Neue-Deutsche-Welle-Bands und Hobby-Musiker wie sogar Thomas Gottschalk eher mit Sprechgesang herum.

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Den Rap-Part mußte damals ein Schwarzer liefern

Gleichzeitig wuchs allerdings in den Clubs großer Städte wie Frankfurt, München oder Berlin – angetrieben auch von ausgehwütigen US-GIs – die Begeisterung für Rap und elektronische Musik. DJs und umtriebigen, nach Trends Ausschau haltenden Musikproduzenten blieb das natürlich nicht verborgen.

Also wie beides so verpacken, daß es mit einem größeren Publikum kompatibel wird? Die Formel war dabei simpel: industrielle Dancefloor-Beats, poppige meist weibliche Refrain-Vocals, und zwischendurch rappt ein Schwarzer. Fertig. Klischees, die heute die Antidiskriminierungsbeauftragte schockieren würden.

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Und so mancher, der sich zwar lieber als „richtiger Rapper“ in den Top Ten gesehen hätte, ergriff dankbar die Chance, wenigstens kurz mit seiner Leidenschaft im Rampenlicht zu stehen. So war der Rapper von Snap, die mit ihren Hits wie „The Power“ (1990) und „Rhythm is a Dancer“ (1992) Maßstäbe gesetzt haben, der Afroamerikaner Turbo B von der Frankfurter Gruppe „We Weare The Crown“ – berühmtestes Mitglied einst: der spätere Kultrapper und -produzent Moses Palham.

Andere Kassenschlager waren „Pump up the Jam“ (1989) von Technotronic, „It’s my life“ (1992) von Dr. Alban, „Mr. Vain“ (1993) von Culture Beat, „No Limit“ (1993) von 2 Unlimited, „What is Love“ (1993) von Haddaway oder „Be my Lover“ (1995) von La Bouche.

Eurodance-Annäherung an die Berliner Clubkultur

Doch nachdem mit DJ Bobo plötzlich Weiße „kulturelle Aneignung“ begingen und den Rap-Part übernahmen und die positivrassistische Zauberformel und GI-Ami-Ästhetik mit „Captain Jack“ grotesk auf die Spitze getrieben wurde, flachte der Hype langsam ab. Zudem hatte echter Hip-Hop mittlerweile seinen Durchbruch und feierte große Erfolge, die nach zwischenzeitlichen Durststrecken in den nuller Jahren ab den zehner Jahren mit dem heutigen Deutschrap wieder voll aufblühten.

Genau hier – obwohl einige Interpreten erst nach 2000 geboren wurden – feiern eurodancelastige Elektroklänge und Hip-House plötzlich ein Revival. Was aber durchaus nicht unauthentisch ist: Schon Hip-Hop-Urgesteine wie Dr. Dre oder Afrika Bambaataa betonen ihre Beeinflussung durch Technovorreiter wie Kraftwerk. Das Neue ist heute: die Texte sind im Gegensatz zu 1989 und folgend auf deutsch.

Sehr deutlich wird die aktuelle Verbindung der Musikströmungen bei Rapper Ski Aggu, zum Beispiel bei den Songs „Hubba Bubba“ (2022) und „Ghetto Tekkno“ (2023). Der Kreuzberger Ufo361 läßt in „Cobain“ (2023) schnelle Basedrums ballern, sein Bezirkskollege Pashanim in „Ferragamo“ (2022).

Auch in den Texten wird es „elektronischer“, in dem Sinne, daß man sich der Techno-Clubkultur annähert. So spricht Wa22ermann in „Bienennest“ (2023) von klebenden vollen Tanzflächen, druffen Typen von spätnachts bis halb acht und nachgelegten Lines auf Klo – begleitet von den passenden Bildern im Musikvideo.

Kooperation mit Neunziger-Stars

Auch Badmomzjay und Domiziana besingen zu Strobolicht ihren Gang „Auf die Party“ (2023). „Sie liebt Techno. Ich liebe Rap. Doch zu zweit sind wir perfekt“, faßt Romero den aufgewärmten Trend zusammen, der sein verschmelzendes Epizentrum in der Bundes- und Clubhauptstadt Berlin hat.

Der Berliner Rapper Finch knüpft ganz bewußt an den Eurodance an, wirbt quasi mit ihm und nahm mit dem Neunziger-Star Blümchen die Platte „Herzalarm“ auf – im dazugehörigen Clip: Game Boy, Bravo-Hits-CD, Tamagotchi und Nokia-Handyknochen. Ach ja, schöne alte Zeit.

JF 44/23

Der Berliner Rapper Finch knüpft an den Eurodance an Foto: picture alliance / FLORIAN WIESER / APA / picturedesk.com | FLORIAN WIESER
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