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Horst Tappert zum 100. Geburtstag: Im Giftschrank weggesperrt: Der Fall „Derrick“

Horst Tappert zum 100. Geburtstag: Im Giftschrank weggesperrt: Der Fall „Derrick“

Horst Tappert zum 100. Geburtstag: Im Giftschrank weggesperrt: Der Fall „Derrick“

Als Komissar Derrick begeisterte der Schauspieler Horst Tappert Millionen Zuschauer Foto: picture alliance / Keystone | Röhnert
Als Komissar Derrick begeisterte der Schauspieler Horst Tappert Millionen Zuschauer Foto: picture alliance / Keystone | Röhnert
Als Komissar Derrick begeisterte der Schauspieler Horst Tappert Millionen Zuschauer Foto: picture alliance / Keystone | Röhnert
Horst Tappert zum 100. Geburtstag
 

Im Giftschrank weggesperrt: Der Fall „Derrick“

Warum will das ZDF keine Wiederholungen der Krimiserie „Derrick“ ausstrahlen? Der Grund liegt tief in der Vergangenheit. Zur Erinnerung an den vor hundert Jahren geborenen Horst Tappert.
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Der Schauspieler Werner Asam, der in fünfzehn Derrick-Folgen meistens den Part des Bösewichts innehatte, schwärmt noch heute von seinem Freund Horst Tappert: „Die Figur, die er erfunden hat, war toll. Er war ein Gentleman. Der Derrick war im nichtdeutschen Sprachraum eine ganz große Nummer. Für die Italiener zum Beispiel war er der Wunschtraum eines Polizisten. Sie haben Derrick vergöttert. Vor allem in Italien hat er Einschaltquoten gehabt, die waren traumhaft. Ich verstehe es bis heute nicht, warum der Derrick bei uns nicht wiederholt wird.“

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Daß Horst Tappert und mit ihm sein Alter ego Oberinspektor Stephan Derrick 2013 zum Paria erklärt und sämtliche 281 Folgen im Giftschrank verschlossen werden, ist der Recherche eines Solinger Soziologen namens Jörg Becker zu verdanken. Beim Stochern im Leben der 2010 verstorbenen Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann, entdeckt Becker, sozusagen nebenbei, daß Tappert Angehöriger der Waffen-SS war. Bis heute gibt es jedoch keinen einzigen Beweis dafür, daß er an irgendwelchen Kriegsverbrechen beteiligt war.

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Vierundzwanzig Jahre lang, von 1974 bis 1998 verkörpert der gebürtige Elberfelder in 281 Folgen den Münchner Oberinspektor Stephan Derrick. Sämtliche Drehbücher, für die von Helmut Ringelmann für das ZDF, den ORF und das Schweizer Fernsehen produzierte Serie, schreibt der Erfolgsautor Herbert Reinecker. Für Millionen Zuschauer ist Derrick, der alle vier Wochen jeweils freitags Mordfälle lösen muß, in jenen Jahren wie ein Freund, den man ins heimische Wohnzimmer einlädt.

Beim ZDF will man nichts von „Derrick“ wissen

In 108 Ländern wird Derrick verkauft und bringt seinen Machern einen erklecklichen Profit ein. Nochmal Werner Asam: „Eines Tages rief er mich an und sagte: Hast du schon gewußt, daß du Japanisch kannst. Und zusammen haben wir uns dann, bei einer guten Flasche Wein, eine auf japanisch synchronisierte Folge angesehen. Das war so komisch. Wir haben Tränen gelacht.“

Dem Sender aus Mainz ist der ehemalige Erfolgsgarant zu seinem hundertsten Geburtstag keine Ehrung mehr wert. Es gibt weder eine Sendung noch wird auch nur eine einzige Folge von „Derrick“, die immerhin die erfolgreichste Serie war, die jemals in Deutschland gedreht wurde, wiederholt. In dürren Worten teilt die Pressestelle des ZDF auf meine diesbezügliche Frage mit: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Es sind keine Sendungen geplant.“

Nicht minder kurz und ablehnend fassen sich der ORF und das Schweizer Fernsehen. Doch auch die beiden Städte, mit denen er eng verknüpft ist, nehmen Abstand. Als Horst Tappert am 13. Dezember 2008 stirbt, planen Wuppertal (vormals Elberfeld) sowie München eine Straße oder einen Platz nach ihm zu benennen. „Auch wenn Horst Tappert in München gelebt hat, war er doch seiner Heimatstadt Wuppertal immer sehr verbunden. Er war stolz auf seine bergischen Wurzeln und hat es sich als einer der prominentesten Wuppertaler verdient, daß sein Name dauerhaft mit unserer Stadt verwunden wird“, erklärt der damalige Wuppertaler Oberbürgermeister Peter Jung im Januar 2009. Heute will man in beiden Städten nichts mehr davon wissen.

„Ein Stück TV-Kult, das Millionen mögen“

Aber es gibt auch andere Stimmen. Fritz Wepper, der seinen Assistenten Harry Klein gespielt hat, hält schon 2013 mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg: „Ein Stück TV-Kult, das Millionen mögen, zu verdammen, weil die Geschichte eines Darstellers Fragen aufwirft, halte ich für übertrieben und eine Bevormundung des Zuschauers.“

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Der Krimiautor, Verleger und Leiter des Kriminalhauses in Hillesheim in der Vulkaneifel, Ralf Kramp, mit dem ich über Horst Tappert spreche, sagt: „Ich habe sowieso ein großes Problem mit der ganzen Cancel-Culture-Sache.“ Auf Horst Tappert bezogen: „Es geht ja auch darum, ob man sich später davon distanziert hat und ob man in irgendwelche Greueltaten verstrickt gewesen ist. Ich halte es nicht für angebracht, die Serie verschwinden zu lassen.“ Kramp, der oft in England unterwegs ist, wird dort heute noch auf Derrick angesprochen. Bei unserem Gespräch erfahre ich noch, daß es im Krimihotel in Hillesheim neben den diversen Themenzimmern auch ein Derrick-Zimmer gibt.

Es wäre nur die Erzählung eines halben Lebens, wenn man Horst Tappert auf seine Rolle als Oberinspektor reduziert. In einer Vielzahl von Theaterstücken und Filmen ist er zu bewundern gewesen. In seiner 1998 erschienenen Autobiographie „Derrick und ich“ erzählt er von seiner Kindheit. Bei seiner Geburt bekommt er Fruchtwasser in die Augen und droht zu erblinden. Seinen Vater Julius, ein Postbeamter und passionierter Briefmarkensammler, beschreibt er als Mann von preußischer Gesinnung.

Vom Krieg zur Kunst

Seine Mutter Ewaldine, so erinnert er sich, war eine strenge Frau, die auch nicht davor zurückschreckte, ihn und seine jüngere Schwester Hannelore mit dem Reetstock zu züchtigen. „Als Knabe war ich erbärmlich dünn“, erinnert er sich weiter. Da er von seinen Mitschülern öfter verprügelt wird, schickt ihn seine Mutter in einen Boxclub. Die NS-Zeit beginnt und der Krieg rückt näher. Er wird, so schreibt er in seiner Autobiographie, 1942 erst zum Arbeitsdienst eingezogen, dann Soldat und zum Sanitätsgehilfen ausgebildet.

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges gerät Tappert in britische Gefangenschaft und wird in Sachsen-Anhalt interniert. Da man die deutschen Kriegsgefangenen nicht durchfüttern kann und will, werden die jungen, kräftigen Männer auf die umliegenden Bauernhöfe verteilt. Arbeit auf dem Feld ist nicht die Sache des mittlerweile Dreiundzwanzigjährigen. Er sucht eine Stelle als Kaufmann. Das hat er gelernt.

Er bewirbt sich beim Theater in Stendal und wird vom Fleck weg engagiert – als Schauspieler. Seine erste Rolle ist die des Dr. Stiebel in der Komödie „Flitterwochen“ von Kurt Helwig. Ein Jahr später spielt er am Theater in Köthen den Junker von Bleichwang in Shakespeares „Was ihr wollt“. Im August 1947, im Osten Deutschlands haben die Briten längst den Russen das Territorium überlassen, wechselt Tappert zum Landestheater Württemberg-Hohenzollern nach Tübingen.

Seine nächste künstlerische Station ist Göttingen. Er nennt die niedersächsische Universitätsstadt „Ort meines Herzens“, denn dort lernt er seine große Liebe und dritte Ehefrau Ursula kennen, mit der er bis zu seinem Tod zusammenbleibt. Seine beiden vorausgegangenen Ehen verlaufen unglücklich, auch wenn daraus drei Kinder entstehen.

Erfolgreich auch auf der Theaterbühne

Nach einem Jahr wechselt er zum Staatstheater nach Kassel. Die nächsten Stationen sind Bonn und anschließend Wuppertal. In seiner Heimatstadt brilliert er als Wladimir in Samuel Becketts „Warten auf Godot“. 1956 zieht es ihn nach München zu jener Bühne, von der er in seiner Autobiographie schreibt: „Die Kammerspiele waren der Olymp für mich.“

Die sechziger Jahre sind die Zeit der Edgar-Wallace- und Pater-Brown-Filme. In „Er kann’s nicht lassen“, „Der Hund von Blackwood Castle“ oder „Der Gorilla von Soho“ ist er zu sehen. Dann gibt es noch die sogenannten Straßenfeger. In dem Vierteiler „Das Halstuch“ von Francis Durbridge spielt Tappert 1962 den Vikar Nigel Matthews. Und vier Jahre später in „Die Gentlemen bitten zur Kasse“ den Postzugräuber Michael Donegan. Durch diese Rolle wird er bundesweit bekannt.

Erstmals als Oberinspektor Derrick trat Horst Tappert dann am 20. Okober 1974 in der Episode „Waldweg“ auf. Die glaubwürdige Figur wurde zu seiner Lebensrolle. „Deshalb brauchst du mir nicht aus dem Mantel zu helfen“, neckt Stephan Derrick seinen Assistenten Harry Klein, der ihm in der Abschiedsfolge zur Beförderung auf einen Chefposten bei der europäischen Kriminalbehörde Europol gratuliert.

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Am Freitag dieser Woche würde Horst Tappert seinen hundertsten Geburtstag feiern. Wie hoch wäre die Zahl derer, die ihm, wäre er noch unter uns, gratulieren und aus dem Mantel helfen würden? Höher sicherlich als die Zahl derer, die ihn für seine Jugendsünde, die darin bestand im Alter von neunzehn Jahren bei der Waffen-SS gewesen zu sein, bis zum heutigen Tag verdammen.

Als Komissar Derrick begeisterte der Schauspieler Horst Tappert Millionen Zuschauer Foto: picture alliance / Keystone | Röhnert
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