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„Wer für die Zukunft arbeitet …“

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„Wer für die Zukunft arbeitet …“

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Als Karl Hofers Atelier 1943 bei einem Bombenangriff mitsamt 150 Bildern in Flammen aufging, malte er nach Fotos neue Fassungen der verlorenen Werke. Auch sonst hat er Bilderfindungen oft mehrfach ausgeführt – so das Gemälde „Der Rufer“. In mondbeschienener Gebirgslandschaft stützt sich ein athletischer Pilger auf seinen Stab, während die andere Hand vor dem weit geöffneten Mund einen Trichter formt. Ist es Zarathustra, der zehn Jahre lang im Gebirge seiner selbst nicht müde wurde und nun der Sonne gleich untergeht, in die bewohnten Landstriche? Die vorbereitende Ölskizze von 1922 ist nun in der Ausstellung „Karl Hofer – Ein Maler zwischen den Ideologien“ zu sehen. Weit weniger hieratisch als im ausformulierten Gemälde erscheint die einsame Gestalt auf diesem Entwurf.

Hofer, 1878 in Karlsruhe geboren, war früh auf sich allein gestellt. Vier Wochen nach seiner Geburt stirbt der Vater, die Mutter kann ihn nicht allein großziehen, in den ersten Lebensjahren wächst er bei zwei Tanten auf, später kommt er in ein Waisenhaus. Bereits mit vierzehn beginnt er eine kaufmännische Lehre in einer Buchhandlung. Ab 1896 nimmt er Zeichenunterricht bei Robert Poetzelberger, später wird er Meisterschüler von Hans Thoma und Leopold von Kalckeuth. 1909 hat Karl Hofer seine erste Einzelausstellung und gehört zu den Gründungsmitgliedern der neuen Künstlervereinigung München.

Nach dem Ersten Weltkrieg siedelt Hofer nach Berlin über, erhält einen Ruf als Professor, wird Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. Den Nationalsozialisten gilt er als „Entarteter“. Hofer wird als Hochschullehrer entlassen, er erhält ein Arbeits- und Ausstellungsverbot, seine Bilder werden aus den Museen entfernt. Nach Kriegsende wird er Direktor der Berliner Hochschule für Bildende Künste und Präsident des Deutschen Künstlerbundes.

Ein berühmtes Diktum von Ernst Jünger besagt: „Wer sich kommentiert, geht unter sein Niveau.“ Jene Polemik, die 1955 mithalf, den 76jährigen Hofer binnen Wochen unter die Erde zu bringen, war eine Generalprobe für die Gifte, mit denen solche Auseinandersetzungen bis auf den heutigen Tag geführt werden.

In einem sorgenvollen Aufsatz stellt Hofer in der Zeitschrift Der Monat fest: „Wer für die Zukunft arbeitet, muß den Mut haben, in der Zeit unmodern zu sein.“ Der Tagespiegel druckte unter der zugespitzten Parole „Der Mut, unmodern zu sein“ eine verkürzte Fassung des Textes, dessen Hauptaussage gegen eine „gesichts- und gewichtslose internationale Massenproduktion …, die durch ihr Quantitätsgewicht zur Diktatur führt“ gerichtet war.

Bewußtes Mißverstehen und persönliche Gereiztheit führten zu einer Affäre, in der alle Beteiligten an Haltung verloren. Will Grohmann, den Hofer selbst an die Hochschule berufen hatte, bezeichnete diesen als übelgelaunten Don Quijotte. Und dieser verglich seinen Angreifer mit Goebbels. Daß er unterdessen auch gemalt hat, ruft die Hallenser Ausstellung ins Gedächtnis zurück. Nach einer Werkschau des Hofer-Schülers Nay am gleichen Ort und der Gegenüberstellung mit dem Antipoden Baumeister in Leipzig will sie mit Werken statt mit Worten das Bild geraderücken.

Bereits im „Selbstbildnis“ von 1908 präsentiert sich der Maler halb abgewandt mit wachem, skeptischen Blick. In „Drei Jünglinge“ (1954) erweist sich Hofer formal als Genosse seiner Zeit und geistig als Erbe Hans von Marees. Stilisierung dient bei ihm nicht nihilistischer Abkehr vom Menschenbild, sondern dessen Steigerung. Die Abstrahierung ergibt sich selbstverständlich. Mit schöpferischer Ignoranz umgeht Hofer den Dualismus zwischen abstrakt und gegenständlich. Seine Gemälde überliefern das Gepräge der Zeit, ohne sich in deren dekorativem Ausdruck zu erschöpfen.

Besonders eindrucksvoll zeigen das „Zwei männliche Profile“ von 1955. Die Frage nach dem Maskenhaften seiner Menschendarstellung erwiderte Hofer mit einer Gegenfrage: „Sind Sie schon mal mit der U-Bahn gefahren?“

Mit dem sowjetischen Kunstoffizier Dymschitz muß er eine hitzige Auseinandersetzung über den Realismusbegriff führen, den er weiter gefaßt wissen wollten als der Ideologe. Bald war nach keiner Seite mehr eine offene Diskussion möglich. 1951 beschloß das ZK der SED den „Kampf gegen Formalismus in Kunst und Literatur“. Und im Westteil vermied eine unter der Fahne einer neuen Ära heranpreschende Phalanx den Schlagabtausch auf offenem Feld.

Hofer war an sich gewiß nicht streitsüchtig. Er wollte vermitteln. Im Geleitwort des ersten Hefts im April 1947 schrieb er über das Selbstverständnis der Zeitschrift Bildende Kunst: „… mögen auch Wege und Ursachen aufgezeigt werden, die zu dem Bewußtsein geführt haben, daß Kunst keine Naturkopie sein kann“. Der Maler, dem noch ein Mäzen alter Schule wie Theodor Reinhart langjährige Italien-Aufenthalte ermöglicht hatte, mußte den Ton der Auseinandersetzung als Fortführung und Steigerung der Zumutungen von vor 1945 empfinden.

Das Unheil der zwei Teilstaaten markiert 1949 das Ende eines kurzen humanistischen Interregnums. Mit dem Tod der Komponisten Hans Pfitzner und Richard Strauss im gleichen Jahr ist symbolhaft das autonome Künstlertum alter Prägung dahingegangen. Wie viele idealistische verlegerische Initiativen, die 1933 abgewürgte Diskussionen wiederangeknüpft haben, stellte auch die Zeitschrift Bildende Kunst ihr Erscheinen ein.

Die Ausstellung zu Karl Hofer ist bis zum 28. Februar im Kunstverein Talstraße in Halle/Saale täglich außer montags von 14 bis 19 Uhr, Sa./So. bis 17 Uhr, zu sehen. Der Katalog mit 48 Seiten kostet 12 Euro. Telefon: 03 45 / 55 07 510

Fotos: Karl Hofer, Zwei männliche Profile, Öl auf Hartfaser, 1955: Die Abstrahierung ergibt sich von selber, Karl Hofer, Der Rufer, Ölskizze, 1922

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