In Abel Ferraras Meisterwerk „Bad Lieutenant“ (1992) erfährt ein drogenabhängiger und korrupter New Yorker Polizeibeamter in der Begegnung mit einer vergewaltigten Nonne eine Dimension von Spiritualität und am Ende in der Vision des vom Kreuz herabgestiegenen Christus endlich Erlösung. Nach „The Addiction“ (1994), in dem Ferrara die Metapher des Vampirismus verwendet, um die Frage nach der Natur des Bösen im Menschen und seine Erlösung zu symbolisieren, inszenierte er wiederum zwei Jahre später mit „The Funeral“ (Das Begräbnis, 1996) erneut eine Tragödie klassischen Ausmaßes. Vielschichtig angelegt und hervorragend gespielt erweitert „The Funeral“ das Genre des Mafiafilms um eine philosophisch-theologische Tiefendimension und stellt dabei die ewig gültigen und aktuellen Fragen nach der Verantwortung für das Böse, für Schuld, Gnade und Erlösung.
New York, 1939. Die Weltwirtschaftskrise und das organisierte Verbrechen haben die Stadt fest im Griff. Im Hause des Mafiosi Ray Tempio (Christopher Walken) versammelt sich zum Begräbnis des erschossenen jüngsten Bruders Johnny (Vincent Gallo) die Tempio-Dynastie, um am offenen Sarg von dem aufgebahrten Leichnam Abschied zu nehmen: Chez Tampio (Chris Penn), der mittlere Bruder, dessen Frau Clara (Isabella Rossellini), Rays Frau Jean (Annabella Sciorra) und Johnnys hinterbliebene Freundin (Gretchen Mol). Doch die Trauerfeier zu Ehren des erschossenen Bruders eskaliert schon bald zur Racheorgie, als die Brüder und ihre Freunde aufbrechen, um den als Täter verdächtigten Konkurrenten Gaspare Spoglia (Benicio del Toro) aufzuspüren und zur Rechenschaft zu ziehen. Bald schon stellt sich jedoch heraus, daß Spoglio mit der Sache nichts zu tun hat und der Mord die Eifersuchtstat eines jungen Mannes war. Nachdem Ray ihn erschossen und damit die Ehre der Familie wiederhergestellt hat, bahnt sich im Hause der Tempios jedoch eine noch weit größere Tragödie an …
Ferrara konfrontiert den Zuschauer hier mit der hoffnungslosen Verstrickung in einen Teufelskreis der Gewalt. Die in Rückblenden kammerspielartig erzählte Geschichte nach einem Drehbuch von Nicholas St.John, der auch „Bad Lieutenant“ schrieb, steigert ihre extreme Spannung bis zum atemberaubenden Höhepunkt. Bei aller Härte ist „The Funeral“ ein großartiger, wenngleich ungemein düsterer und verstörender Genrefilm, der nicht so schnell abzuschütteln ist und darüber hinaus Anstöße zu einer Auseinandersetzung mit theologischen Fragen gibt.
DVD: Das Begräbnis, Arthaus Kinowelt. Leipzig 2009, Laufzeit: 95 Minuten