Lesern von Donna Leon oder Patricia Cornwell sollte man von der Lektüre dieses Kriminalromans abraten. Aber wer auf der Suche ist nach einer Art deutschem Raymond Chandler oder Dashiell Hammett, der sollte sich den jetzt neu aufgelegten Thriller „Das Schlangenmaul“ von Jörg Fauser nicht entgehenlassen.
Der 1987 einen Tag nach seinem 43. Geburtstag tödlich verunglückte Fauser hatte literarische Vorbilder, die hierzulande von der Kritik lange Zeit nur mit spitzen Fingern angefaßt wurden. Er war der Meinung, daß man von vermeintlichen „Trivialschriftstellern“ wie Eric Ambler, Raymond Chandler oder John le Carré durchaus die Kunst des Schreibens erlernen könne. Chandler und Hammett machten für ihn gar den „Parnaß der Kriminalliteratur“ aus: „Mit ihren Romanen demonstrierten sie dann nicht nur, daß ein guter Kriminalroman exzellente Literatur sein kann, sondern auch, daß die sogenannte Trivialliteratur oft ein besseres Verständnis für die Welt, mit der wir es zu tun haben, erschließen kann als so manche Belletristik.“
Fausers 1985 erstmals erschienener Roman „Schlangenmaul“ ist angenehm kurz, die Sprache klar und witzig. Der Protagonist Heinz Harder, 38 Jahre alt, Journalist mit einem Faible für Beck’s und Bordelle, hat ein massives Problem mit dem Finanzamt. Aus der Not heraus bietet er per Inserat seine Dienste als „Bergungsexperte für außergewöhnliche Fälle“ an. Ein Auftrag läßt nicht lange auf sich warten. Die schöne Ex-Frau eines Baulöwen und Politikers sucht ihre achtzehnjährige Tochter, die seit einiger Zeit verschwunden ist. Die Handlung spielt vornehmlich in West-Berlin, wo sich Harder auf die Spur der Vermißten macht und im Dunstkreis von Politik und Finanzwelt mit einem mysteriösen Schlangenkult konfrontiert wird.
Das Ganze ist eine rasante Zeitreise in die achtziger Jahre (Harder trägt beispielsweise Lederschlipse). Das West-Berlin der damaligen Zeit läßt Fauser durch eine Romanfigur folgendermaßen charakterisieren: „Berlin ist ein Kunstgebilde, Harder, ein künstlich am Leben gehaltenes Symbol, ein Mythos am Tropf, aus sich selbst nicht lebensfähig, eine Subventionsmaschine, eine Schmiergeldmetropole. Berlin ist die Große Korruption.“
Wer mehr über Fausers wildes kurzes Leben erfahren will, sollte auch das Nachwort seines Weg- und Saufgefährten Martin Compart lesen. Das gesamte literarische und publizistische Schaffen Fausers hat der Diogenes Verlag jetzt als neunbändige Werkausgabe herausgebracht.
Jörg Fauser: Das Schlangenmaul. Diogenes, Zürich 2009, Taschenbuch, 320 Seiten, 9,90 Euro