Ein Genie wird gemobbt“: so die alarmierende Überschrift eines Aufsatzes der ehemaligen Grünen-Politikerin Antje Vollmer (66) in der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Montag. Der Inhalt des Artikels wird dem Titel nur allzu gerecht. Es ist eine kommunale Horrorgeschichte finstersten Zuschnitts, die Story nämlich von der Fertigmachung und Vertreibung Christian Thielemanns, des Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker, von seinem Posten.
Einigen städtischen Hochbürokraten unter Führung des neuen Münchner Kulturreferenten Hans-Georg Küppers ist der 50jährige Thielemann von oben bis unten unbequem, zu wenig politisch angepaßt, zu wenig „Jetset“. So entzogen sie ihm jetzt einfach das Mitspracherecht bei der Bestallung von Gastdirigenten für sein eigenes Orchester und entfesselten eine hinterhältige Medienkampagne gegen ihn. Da man ihm auch beim schlimmsten Willen nicht „fachlich“ an den Wagen fahren kann, versuchten sie es mit Banalpsychologie. Der Mann sei zu „sperrig“, unkte man, zu „dickköpfig“, zu „diskussionsunbereit“.
Antje Vollmer spießt das alles treffsicher auf. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, nennt ungeniert Namen und Hausnummern. So weit, so gut, könnte man sagen. Aber wie wird der Artikel von der Süddeutschen serviert? Er steht nicht im Feuilleton, wo er doch hingehört (dort gibt es in der selben Nummer einen ellenlangen Beitrag über die Politik der SPD in Hessen), er steht auf den politischen Seiten neben Berichten über spanische Terrorattentate und Dienstwagenaffären. Und auf Seite eins wird er mit keinem Wort angekündigt.
„Man hat Thielemann im Sommerloch versenkt“, schreibt Vollmer in ihrem Artikel. Doch auch dieser ihr eigener Artikel ist im Sommerloch versenkt worden, und dabei auch noch nach den Regeln des Kinderspiels „Bäumchen, Bäumchen, wechsel dich“ (Musik in die Politik, hessische SPD-Affären ins Feuilleton). Und dabei ist Antje Vollmer doch ein Knüller für jede Zeitung, langjährige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, geschätzt als hochrangige Beobachterin kultureller Ereignisse. Thielemann ist sogar eine Weltberühmtheit, die gerade wieder bei den Bayreuther Festspielen ihre einsame Klasse unter Beweis gestellt hat. Doch was soll’s, beide passen nicht ins Weltbild Münchner Bürokraten und ihrer medialen Wasserträger.
Deshalb: ab mit ihnen in die Gesellschaft von Urlaubsterroristen und Urlaubsdienstwagen!