Rund 80 Prozent der 5,1 Millionen US-Amerikaner, die im Zuge der Wirtschaftskrise bereits ihren Job verloren haben, sind männlichen Geschlechts. Die Arbeitslosenquote von Männern beläuft sich in den Vereinigten Staaten auf 8,8, jene der Frauen hingegen auf gerade einmal sieben Prozent. In Deutschland sind die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Rezession noch weit unterschiedlicher. Während die Erwerbslosigkeit unter Männern im April im Vergleich zum Vorjahr um 12,4 Prozent nach oben schnellte, nahm die Beschäftigung der Frauen im gleichen Zeitraum gar um 2,8 Prozent zu.
Nicht anders als auf zahlreichen anderen Gebieten scheint die Krise somit auch auf jenem der Gesellschaftspolitik ein Fragezeichen hinter Gewißheiten zu setzen, die lange Zeit als unerschütterlich galten. Bisher ging man davon aus, daß es staatlicher Eingriffe bedürfe, um die Beschäftigungsquote der Frauen allmählich jener der Männer anzugleichen und ihre frappante Schlechterstellung im Erwerbsleben zu überwinden. Ganze Heerscharen von staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen hatten sich hier, gestützt auf neue juristische Normen, an die Arbeit gemacht, um Wirtschaft und Gesellschaft in diesem Sinne auf Kurs zu bringen. Wo sie trotz aller Mühe nur wenig bewirkten, sorgt nun ausgerechnet das so vielgescholtene freie Spiel der Marktkräfte auf dem Weg zu tatsächlicher Gleichberechtigung der Geschlechter für einen markanten Sprung nach vorn.
Diskreditiert sind zudem alle besserwisserischen Bemühungen, Frauen verstärkt in technische Berufe zu drängen, weil ihr traditionell unterentwickeltes Interesse an diesen angeblich ein wesentlicher Grund für ihr Zurückstehen im Erwerbsleben gewesen sei. Nun zeigt sich jedoch, daß sie ihr Instinkt, diese Männerdomäne lieber zu meiden, nicht getrogen hat. In der Krise sind es vor allem Fachkräfte im Automobil- und Maschinenbau, die auf die Straße gesetzt werden, während selbst gering qualifizierte Beschäftigte im Dienstleistungssektor wie Putzfrauen, Altenpflegerinnen oder Kassiererinen zwar wenig verdienen und auch bloß beschränkte Karriereerwartungen hegen mögen, aber doch nicht um ihren Job fürchten müssen.
In höherem Maße als Männer sind es heute Frauen, die auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet sind: Sie stellen geringere Ansprüche an die Attraktivität der Arbeit, sind flexibler und geben sich mit weniger Entgelt zufrieden. An diesem Leitbild werden sich künftig auch Männer zu orientieren haben, wenn sie nicht an ihrem Rollenverständnis scheitern wollen.