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Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

Neues Museum Berlin: „Die Nachkriegszeit ist beendet“

Neues Museum Berlin: „Die Nachkriegszeit ist beendet“

Neues Museum Berlin: „Die Nachkriegszeit ist beendet“

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Neues Museum Berlin
 

„Die Nachkriegszeit ist beendet“

Siebzig Jahre nach seiner Schließung und anschließenden Zerstörung im Bombenkrieg ist das Neue Museum in Berlin wiedereröffnet worden. Eine erste Ausstellungskritik.
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Das wiederaufgebaute Neue Museum: Stilisierung verweigert. Foto: Wikimedia/Auge24.eu

Mit der Öffnung des Neuen Museums nach siebzig Jahren sei nun – jedenfalls für die Museumsinsel – das „Ende der Nachkriegszeit“ erreicht, verkündete Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, letzten Donnerstag den internationalen Medienvertretern, bevor freitags im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel und Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit das Haus feierlich eingeweiht und tags darauf den Berlinern übergeben wurde.

Tatsächlich ist nun nach der 2001 wiederöffneten Nationalgalerie und dem Bodemuseum (2006) auch das Neue Museum wieder zugänglich. Kriegsbedingt hatten 1939 die fünf Häuser: Altes Museum (1830), Neues Museum (1859), Nationalgalerie (1876), Bode-Museum (1906) und Pergamonmuseum (1930) geschlossen. Vier davon reaktivierte nach 1945, wenngleich nur dürftig saniert, die DDR. Nicht so das Neue Museum, das als Bombenruine zurückgeblieben war. Ausgebrannt verwitterten vierzig Jahre seine traurigen Überreste.

Schatz des Priamos immer noch in Moskau

Seit 1998 hat nun David Chipperfield mit seinem „archäologischen“ Erhalt- und Ergänzungskonzept den Bau wiederhergestellt – vor dem Hintergrund einer kontroversen, auch in dieser Zeitung geführten Debatte. Der trotz erbitterter Kritik konsequent abgeschlossene Bau wurde im März der Öffentlichkeit vorgestellt und erhielt sogar den Preis des Bundes Deutscher Architekten 2009.

Für 212 Millionen Euro ist ein Haus der Superklasse entstanden mit 8.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche auf vier Ebenen, dazu ein Untergeschoß mit „archäologischer Promenade“: übergreifenden Themenräumen, die den Sammlungsbestand mit seinem Umfeld vernetzen. In diesen Architekturschrein sind nun das Ägyptische Museum, das Museum für Vor- und Frühgeschichte, die Papyrussammlung und ein Teil der Antikensammlung eingezogen. 9.000 Objekte reflektieren Gesellschaft, Kunst und Religion von 700.000 vor Christus bis zur Gegenwart.

Nicht ohne Stolz verweist man auf Höhepunkte wie die Amarna-Kollektion, den Grünen Kopf, das Totenbuch der Neferini, den Goldhut, die trojanischen Kostbarkeiten oder den römischen Xantener Knaben; obenan steht freilich die Büste Nofretetes. Überraschend zunächst die Kostbarkeiten aus dem Schatz des Priamos, den Schliemann einst dem Museum übergab. Doch rasch klären sie sich auf als Repliken, deren Originale in Moskau festhängen, unverändert. Beim Thema Beutekunst scheint die Nachkriegszeit noch lang nicht beendet.

Alles Spielerische und Imaginäre zurückgedrängt

Auf dem Rundgang verstimmt das total Nüchterne der Präsentation. Gefällige Zurichtung, ästhetische Inszenierung, suggestive Illusion sind peinlichst vermieden, allenthalben regiert kühle Sachlichkeit. Trocken werden die Stücke in konventionellen Vitrinen vorgezeigt, alles Spielerische und auch Imaginäre zurückgedrängt.

Dick unterstreicht man den „gewollten Studiencharakter des Hauses“, so Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen: „Unter Berücksichtigung der historischen Raumkontexte folgt unsere Objektpräsentation dem wissenschaftlichen Anspruch der aktuellen Forschung. Über die Anschauung der historischen Zeugnisse wollen wir somit auch den gegenwärtigen Stand der Altertumsforschung nachvollziehbar machen.“

Immerhin hat man den Ägyptern die öde Periodisierung erspart. Statt dessen sind Themenräume gebildet, so zu ewigem Leben, Königtum, Tempel oder Alltag. Diese kulturgeschichtlichen Einheiten werden auf einer Ebene noch komparativ erweitert. Sammlungsübergreifend hat man dort interkulturelle Komplexe zu Themen wie „Jenseitswelt“ oder „Gott und Götter“ gefügt, deren Muster Grundfragen des Menschseins aufwerfen.

Dieser Perspektive hätte die ältere Museumsästhetik besser entsprochen: erleuchtete Vitrinen in abgedunkelten Räumen. Von den legendären westdeutschen Ägyptenausstellungen der 70er Jahre bis zum (leider jetzt umgebauten) Indischen Museum in Dahlem hat man so die Magie der Objekte in Szene gesetzt. Das entsprach André Malraux‘ Vision vom „Imaginären Museum“: einem Zusammenfluß monumentaler Zeugnisse, die – jenseits der historischen Einordnung – für uns in ideale Gleichzeitigkeit treten. Empirische Kontingenz überwindend, werden sie so zu Zeichen des Ewigen. Derartige Stilisierung verweigert das Neue Museum strikt.

Deutsche (Un-)Kultur historischer Dauerreflexion

Als „Palast der Archäologie“ sei es vielmehr eine Stätte „für das Fragmentarische“, für das „von der Geschichte Gezeichnete“, so Matthias Wemhoff, Direktor der Abteilung Vor- und Frühgeschichte. Das „Haus Stülers“ sei passé und auch die „Geschichtsphilosophie Hegels“. Nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts „schauen wir auf die Brüche“. Die deutsche (Un-)Kultur historischer Dauerreflexion, die den Briten Chipperfield so beeindruckt, hat hier Architektur und Kunst einem Totalanspruch von Zeitlichkeit unterworfen, der auch Deutungen nachhaltig beeinflußt.

So lesen wir im Saal der Pharaonen: „Die Jahrtausende haben an den Pharaonenstatuen ihre Spuren hinterlassen. Brüche und Fehlstellen kennzeichnen auch den Raum, von dessen ägyptisierender Dekoration nur Fragmente erhalten geblieben sind – Archäologien Altägyptens inmitten der Archäologie des 19. Jahrhunderts.“ So löst Geschichte sich auf in Zeitschichten und Erfahrungssplitter. Deren Reflexe wuchern fort ins schlecht Unendliche, um nirgends anzukommen.

Trotz wissenschaftlichem Ehrgeiz kehrt diese Reduktion das idealistische Konzept um, das Stüler und seinen König einst beseelte. Ihr romantisches Programm hat jetzt ein brillanter Beitrag von Dankwart Guratzsch in der Welt aufgedeckt. Zitiert wird Novalis: „Es ist nicht die Antike allein, die wir sehen. Sie ist der Himmel, das Fernrohr und der Fixstern zugleich und mithin eine echte Offenbarung einer höheren Welt.“

Darauf gründeten gestalterischer Illusionismus und erlebnishafte Mystifikation. Deren erbarmungslose „Entzauberung“ als Dekonstruktion einer „poetischen Scheinwelt“ läßt nur „das altertümliche, nutzlose Fernrohr und einen sinnlos durch das All irrenden Materieklumpen“ übrig.

Das neue Erschließungsgebäude der Museumsinsel, die James Simon-Galerie, wird ab kommendem Jahr bis 2013 entstehen; das Pergamonmuseum soll bis 2028 etappenweise renoviert werden.

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