Nordirland, 1981. Im Maze Prison wehren sich IRA-Häftlinge, die in einem der berüchtigten H-Blocks einsitzen, gegen ihre Behandlung als gewöhnliche Kriminelle. Sie fordern den Status politischer Gefangener, den ihnen die britische Thatcher-Regierung hartnäckig verweigert. Auch der zu sechs Jahren verurteilte junge IRA-Aktivist Davey Gillen (Brian Milligan) reiht sich in den Protest ein.
Der neue Häftling teilt sich eine Zelle mit Gerry Campbell (Liam McMahon), einem erfahrenen IRA-Kämpfer, der zwölf Jahre bekommen hat und durch die furchtbaren Zustände im Maze Prison bereits abgehärtet ist. Die Wände sind mit Kot beschmiert – der dirty protest der IRA-Häftlinge läuft seit drei Jahren. Gerry führt Davey in den Gefängnisalltag ein, lehrt ihn das Schmuggeln von Kassibern und den Austausch von Informationen mit Besuchern von draußen. Während der Sonntagsmesse werden diese Informationen an Bobby Sands (Michael Fassbender), den 27jährigen Anführer aller IRA-Gefangenen, weitergegeben.
Nach einem brutal niedergeschlagenen Aufstand der Gefangenen wird Sands zur Schlüsselfigur. Dem Gefängnispfarrer Dominic Moran (Liam Cunningham) offenbart er während eines langen Gesprächs, daß er einen neuen Hungerstreik anführen wird, um die Anerkennung aller IRA-Häftlinge als politische Gefangene zu erzwingen. Beide Männer reflektieren philosophisch über die Selbstaufopferung, wobei selbst der Blickkontakt zur Qual wird. Unversehens entwickelt sich ihr Gespräch zu einem wahren Kampf der Worte, in dessen Verlauf die Entschlossenheit der Inhaftierten klar wird. Der Priester kann den gläubigen Katholiken Sands nicht mehr von seinem Vorhaben abbringen. Für ihn ist sein Körper seine letzte und einzige Waffe: „Mein Leben in die Waagschale zu werfen, ist nicht nur das einzige, was ich tun kann – es ist das Richtige!“
Mit eisernem Willen erträgt er sein langsames, qualvolles Sterben, das nach 66 Tagen endet. Nach ihm hungern sich noch weitere neun IRA-Gefangene zu Tode. Erst danach erklärt sich die britische Regierung zu einigen Zugeständnissen an die Häftlinge bereit, verweigert ihnen jedoch nach wie vor den Status als politische Gefangene.
„Hunger“, das auf Festivals preisgekrönte Debüt des britischen Regisseurs Steve McQueen, zeigt im realistischen Detail, wie es 1981 im H-Block zuging, und in der Tat meint man als Zuschauer die von den Insassen an ihre Zellenwände geschmierten Exkremente förmlich zu riechen, ja sogar die Schläge und Tritte zu spüren, mit denen die Gefangenen malträtiert werden.
Dabei erzählt der Film kaum etwas über die historischen Hintergründe des Nordirland-Konflikts und den bewaffneten Unabhängigkeitskampf der IRA, der durch die Ereignisse vom 30. Januar 1972, dem „Bloody Sunday“, eskalierte.
An diesem Tag schickte die britische Regierung Fallschirmjäger, um mögliche Unruhen während einer Bürgerrechtsdemonstration in Derry zu unterdrücken. Sie schießen in die Menge und töten vierzehn Demonstranten. Die Antwort der IRA darauf ist der „Bloody Friday“ im Juli 1972 mit einer Serie von Bombenanschlägen mit neun Toten und 130 Verletzten. Insgesamt forderte der Guerillakrieg bis zur Waffenruhe 1997 fast 3.000 Todesopfer.
„Hunger“ zeigt Bilder und Szenen, deren Poesie und Schönheit emotional berühren und deren unglaubliche Brutalität schockiert und sich tief in die Netzhaut des Betrachters einbrennt. Visuell überwältigend ist die Szene, in der der dem Tode nahe Bobby Sands nicht mehr die Kraft besitzt, aus der Badewanne zu steigen, und der Pfleger, der an der Tätowierung auf seiner Hand als Mitglied der protestantisch-loyalistischen Terrororganisation UDA (Ulster Defence Association) erkennbar ist, den geschundenen Körper wie ein Kind in seine Arme nimmt und hinausträgt.
Kaum zu ertragen sind die Bilder des Sterbens, des ausgemergelten und mit Geschwüren übersäten Körpers. Gnadenlos widmet sich der Film diesem finalen Akt. Die Bilder und Töne werden bedächtig und ruhiger, sie vermischen sich mit Geschichten aus Bobby Sands’ Kindheit und enden schließlich mit dem unvermeidlichen Tod. Ein zutiefst fesselndes cineastisches Meisterwerk.
Am 20. August erscheint „Hunger“ auch als Doppel-DVD bei Ascot Elite, Stuttgart. Laufzeit: ca. 91 Minuten.
Foto: Bobby Sands (Michael Fassbender): Ausgemergelt