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Weltschmerz

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Nichts für Suizidgefährdete ist die Musik der englischen Künstlerin Anne Clark: Ihr Markenzeichen ist die Kombination aus kühlen elektronischen Melodien und einem markanten Sprechgesang, mit dem sie wie keine andere Texte des Weltschmerz vorträgt, jenes melancholische Gefühl, das an der Welt verzweifelt. Zukunftspessimismus über die Bedeutungslosigkeit des menschlichen Lebens in der modernen Welt war das zentrale Thema ihrer ersten Texte. „Iron takes the place of air — Eisen tritt an die Stelle der Luft“ ist jene bildhafte Liedzeile, die symptomatisch für diese Aussicht steht, an der auch die von ihr mit Mißtrauen beäugte Politik nichts zu ändern vermag. „Sleeper in Metropolis“ und „Our Darkness“ sind die Klassiker, mit denen Anne Clark in den 1980er Jahren zur Ikone der damals aufkommenden New-Wave-Bewegung aufstieg. Kein Wunder, daß sie mit diesem Stil bei den zu romantischer Schwermut veranlagten Deutschen besonderen Erfolg gefunden hat. In den 1990er Jahren folgte eine experimentelle Phase, in der sie mit akustischen Instrumenten arbeitete. Eine besondere Vorliebe für deutsche Autoren zeigte sie mit der englischsprachigen Vertonung von Gedichten von Friedrich Rückert auf dem Elektronik-Album „The Law Is An Anagram Of Wealth“. Doch das am besten gelungene Resultat ihrer Hinwendung zu deutscher Lyrik war „Just After Sunset“ (1998), ein akustisches Neofolk-Album mit 15 Gedichten von Rainer Maria Rilke, das auch innerlich eine Wendemarke darstellte: Aus der Pessimistin wurde eine Romantikerin. Die vergängliche Jahreszeit beschwörenden Herbstgedichte zählen zu den Höhepunkten darauf und wirken wie auf Anne Clark und ihre Stimme zugeschnitten. Über die letzten Jahre hinweg brachte Anne Clark jedoch kein neues Material aus eigener Feder heraus. Die Fans wurden lediglich mit einem Hörbuch, Best-of-CDs und Remixen alter Hits vertröstet. Persönliche Schicksalsschläge ließen aus dem organischen Entwicklungsprozeß, den Anne Clark ihren Produktionen zugrunde legt, eine schwere Geburt werden. Aber nach 13 Jahren hat die heute 48jährige mit „The Smallest Acts Of Kindness“ (Netmusiczone/Rough Trade) Ende September endlich ein neues reguläres Studioalbum herausgebracht. Weltveränderung durch Selbstreform ist das thematische Konzept, das sich hinter diesem Titel verbirgt: Die Welt wird nicht durch die Umsetzung politischer Utopien verbessert, sondern nur durch die konsequente Einhaltung menschlicher Verhaltensweisen. In zwölf Liedern vereinigt sich die Bandbreite der Einflüsse, die im Laufe ihrer Musikkarriere auf sie eingewirkt haben. Neben akustischen Stücken stehen sowohl Elektroniksongs wie das kontemplative „As Soon As I Get Home“ als auch tanzbare Stücke wie „Full Moon“ und „Prayer Before Birth“. Clarkes poetische Texte haben viel von ihrem früheren dunkleren Charakter verloren und sind differenzierter geworden. So handeln sie von Spiritualität, romantischen Stimmungsbildern und zwischenmenschlichen Beziehungen. Auffallend ist hier die Akustikversion des Dancefloor-Hits „The Hardest Heart“ von Blank & Jones, dem sie 2002 ihre Stimme lieh und das Anne Clark mit den Begriffen Optimismus und Hoffnung verbindet. Derzeit ist die eigenwillige Künstlerin, die Live-Auftritte als den besten Teil ihrer Arbeit sieht, auf Konzerttournee durch Europa unterwegs. Deutschland, durch das sie im November und Dezember und später noch einmal im Februar kommt, bildet dabei den Schwerpunkt. Hier zeigt sich ihr besonderes Interesse an unserem Land, dem sie sich zu Dank verpflichtet fühlt. Ohne Zweifel wird sich dann auch zeigen, daß sie hier nach wie vor ihre treuesten Fans hat.

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