Polit-Bonzen“, „Knechte des Kapitals“, „Befehlsempfänger des Großkapitals“, „volksfeindliche Politik“ — wer so formuliert, steht erkennbar nicht in der „Mitte der Gesellschaft“, sondern an ihrem Rand, in diesem Fall am rechten Rand. Die Passagen stammen aus der zweiten Ausgabe der Schüler- zeitschrift perplex der NPD-Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten (JN). Für die Staatsanwaltschaft in Dresden waren diese und andere Textstellen Grund genug, im Dezember 2007 beim Landgericht Dresden einen Beschlagnahmebeschluß sämtlicher Exemplare der Zeitschrift zu erwirken. Begründung: Der Inhalt erfülle den Tatbestand des Paragraphen 90 Strafgesetzbuch, indem er die Bundesrepublik Deutschland und ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpfe und böswillig verächtlich mache. Gegen die Beschlagnahme ihrer Zeitschrift haben sich die JN-Verantwortlichen nun erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht zur Wehr gesetzt. In ihrem Beschluß stellte die 1. Kammer unter dem Gerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier einstimmig fest, daß die Beschlagnahme in das Grundrecht der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführer eingreift (1 BvR 519/08). Bei der Auslegung und Anwendung des Paragraphen 90a StGB sei „besonders sorgfältig zwischen einer — wie verfehlt auch immer erscheinenden — Polemik und einer Beschimpfung oder böswilligen Verächtlichmachung zu unterscheiden“, weil der Grundgesetzartikel zur Meinungsfreiheit gerade „aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet“. In der bloßen Aufforderung zu einer — gewaltfreien — Beseitigung der bestehenden staatlichen Ordnung und zu deren Ersetzung durch ein anderes politisches System könne noch kein tatbestandsmäßiges Verhalten gesehen werden, urteilten die Verfassungsrichter. Die meisten der inkriminierten Passagen enthalten Angriffe auf die in der Bundesrepublik Regierenden. Paragraph 90 StGB schütze indes „nicht die Persönlichkeitsrechte von Angehörigen staatlicher Organe, sondern verbietet eine Beschimpfung des Staates und seiner Ordnung selbst. Eine Äußerung, die sich ausdrücklich nur auf staatliche Funktionsträger bezieht, kann allenfalls in Ausnahmefällen als Angriff auf die bestehende staatliche Ordnung angesehen werden, da eine solche Deutung das verfassungsrechtlich besonders gewichtige Interesse an einer Meinungsäußerung einzuschränken droht, die die Ausübung politischer Macht kritisiert.“