Ein schönes Mantra hat sich James Karian, hoch- angesehener Maschinenbauingenieur und schon seit längerem scharfer Kritiker des aktuellen Wissenschaftsbetriebs, im Wallstreet Journal einfallen lassen: "yellow science", Revolverwissenschaft, parallel gebildet zur "yellow press", der Revolverpresse. So wie man spätestens seit Randolph Hearst, dem berühmt-berüchtigten US-Pressezaren des zwanzigsten Jahrhunderts, von einer "yellow press" spreche, so müsse man heute von einer "yellow science" sprechen, meint Karian. Und die "yellow science" sei schlimmer als die an sich schon schlimme "yellow press", viel schlimmer.
Randolph Hearst, rechnet der zornige Kritiker vor, habe mit seinen Revolverblättern seinerzeit vielleicht 150 Millionen Dollar verdient, die Revolverwissenschaftler von heute verdienten dagegen nicht Millionen, sondern Milliarden. Allein die "Erforschung" der sogenannten Klimakatastrophe habe ihnen jetzt schon an die fünfzig Milliarden Euro eingebracht, ohne daß auch nur das geringste dabei herausgekommen sei, nur bedeutungsschwangere Redereien, einzig dazu bestimmt, den Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen.
Pankraz will sich hier nicht noch einmal auf die Schwierigkeiten der Klimaforschung einlassen, die in der Tat nicht beweisen kann, daß CO²-Ausstoß und Erderwärmung überhaupt ursächlich miteinander zusammenhängen. Aber Karian konstatiert voller Ingrimm: "Die Yellow Science will es gar nicht beweisen, denn sie braucht es in den Augen ihrer Adressaten gar nicht zu beweisen. Statt Beweise produziert sie freche Behauptungen, und die Kunden bezahlen dafür." Wenn das stimmt, wäre das ein gänzlich neues Thema, eine Fatalität, die weit über die Klimaforschung hinausreicht.
Bisher gab es in der Naturwissenschaft, wie leider in anderen Bereichen des Lebens auch, gelegentlich Fälscher, Diebe. Betrüger, des weiteren – eine Moralstufe darunter (oder darüber) – Scharlatane, Wichtigtuer, Trittbrettfahrer, auch Rowdys auf der Überholspur. Aber alle diese Gestalten konnten sich immer nur für kurze Zeit etablieren, der Korpsgeist der Wissenschaftler stand gegen sie, die hohen Qualitätshürden vor wichtigen Instituten und Publikationsorganen, die scharfen Kontrollmechanismen. Wenn jetzt wirklich eine ausgedehnte "yellow science" mit eigenen "Standards" heranwüchse, wäre mit alledem schnell Schluß.
An der Entwicklung und Ausbreitung der "yellow press" kann man es studieren. Zunächst traf sie der Abscheu aller halbwegs Gebildeten, denn statt solider und wichtiger Information lieferte sie grelle, meist läppische Sensation, statt Gehirntraining Spaziergänge im unteren Intimbereich, statt feiner Ironie plumpe Anrempeleien. Doch ihr finanzieller Erfolg und ihre Massenwirkung machten sie schnell auch für höhere Chargen, für Politiker, Volkstribunen, Investoren und Großspekulanten interessant. Es geschah eine Annäherung zunächst der Geschäftsbereiche, anschließend auch der Interessen und Vorlieben.
Der Weg führte von oben nach unten, ging auf Kosten der Qualitätspresse, und so wird es allem Anschein nach auch mit der Qualitäts-Naturwissenschaft gehen. Man nehme als Beispiel die Biologie des Gehirns, die Neurowissenschaft. Gewisse neue, insbesonders bildgebende Verfahren haben in der Wirtschaft und bei den von den populären Medien gespeisten Massen ungeheure Erwartungen geweckt, man hofft auf definitive Therapien gegen heimtückische Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson, man gibt viel, viel Geld für entsprechende Forschungen aus, nach vielen Richtungen hin, und eben das lockt die Wichtigtuer an.
Immer mehr Forscher und "Forscher" starren auf die "Neuronen-Landebahnen", wo es flimmert und zuckt, wenn im Gehirn Bewußtseinsprozesse ablaufen; was genau passiert, weiß (noch?) niemand, aber darauf kommt es immer weniger an. Das Interesse ist so groß, daß faktisch auch der allerletzte einschlägige Scharlatan auf seine Kosten kommt, Investoren und Abnehmer für seine Redereien findet. James Karian hat recht: "Yellow science" breitet sich aus, umgibt den Teich der ernsthaften Forschung schon wie ein Papyrussumpf, der zunehmend Ableger ins reine Wasser vorschickt.
Seriöse Vertreter des Fachs wie Wolf Singer haben die Gefahr erkannt und warnen bei ihren öffentlichen Auftritten unermüdlich vor "überzogenen Erwartungen", "voreiligen Spekulationen", "Sackgassen", "Illusionen". Doch es ist wohl schon zu spät. "Yellow science" hat den "Take-off" auch in den experimentellen Naturwissenschaften geschafft und nährt sich nun aus eigenen Antrieben. Bald könnte es in ihr zugehen wie in der Politologie, wo es nie um reale Ergebnisse, immer nur um hochgestochenes, von der Politik bezahltes Geschwätz ging.
Ursache dafür ist nicht zuletzt die Aufweichung des Begriffs des Experiments durch die vermeintlichen Fortschritte der experimentellen Technik. Diese Technik stellt Kernspintomographie und andere hochkomplizierte bildgebende Verfahren zur Verfügung, deren simple Ingangsetzung heute vielerorts bereits als "Experiment" gilt und als solches bezahlt und mit öffentlichem Beifall bedacht wird. Ihre Benutzer gelten als eine Art neue Priesterkaste. Man behandelt sie mit fast drolligem Respekt, auch wenn sie sonst noch nicht das geringste geleistet haben.
Wie soll man sich in Zukunft vor "yellow science" schützen? Ganz oben als Desiderat stünde wohl die Wiedererinnerung und Neubefestigung höchster wissenschaftlicher und experimenteller Standards. Bloße Effizienzkontrolle durch auf Verwertung erpichte Investoren genügt nicht; diese frönen ja selbst dem Köhlerglauben, man müsse nur genügend Geld und Gerätschaften zur Verfügung stellen, um früher oder später zu "Ergebnissen" zu kommen.
Was stattdessen not tut, ist die Rückkehr zu alten, klassischen Forschertugenden: Unabhängigkeit, Korpsgeist, volle Hingabe an die Sache selbst, geschliffene, jedem Geschwätz abholde Rhetorik. Und: Die Politik sollte sich so wenig wie möglich einmischen.