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Flakhelfers Wirrungen

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Der Herausgeber und Verleger Alfred Neven DuMont hat in diesem Buch die Jugenderinnerungen von 27 prominenten Zeitzeugen des Jahrgangs 1926/27 versammelt. Er will Gerechtigkeit für diese Generation, der er selber angehört und für die NS-Zeit und Krieg die prägenden Erlebnisse waren. Der prominenteste Zeitzeuge, Günter Grass, ist jedoch nicht dabei, der zweitberühmteste, Martin Walser, fehlt ebenfalls. Der Grund dafür dürfte in dem Gedicht „Kinderlied“ zu finden sein, das Grass in in den fünfziger Jahren verfaßte. Die dritte Strophe lautet: „Wer spricht hier, spricht und schweigt? / Wer schweigt, wird angezeigt. / Wer hier spricht, hat verschwiegen, / wo seine Gründe liegen.“ Die Vergangenheitsbewältigung, die einige der hier vertretenen Autoren explizit betrieben haben, war nun mal kein emanzipatorischer Akt freier Menschen, sondern eine höchst zwanghafte Angelegenheit. Wer sich ihr entzog und schwieg, der „verdrängte“ und wurde „angezeigt“, stigmatisiert als „Unverbesserlicher“. Diejenigen aber, die munter drauflos schwadronierten und damit Karriere machten, sprachen gar nicht über das, was sie wußten und erfahren hatten, sondern sie entsprachen Erwartungen, die an sie herangetragen wurden. Eine Wiederholung des Bewältigungszwangs wollten sich Grass und Walser wohl auf ihre alten Tage ersparen. Sie haben recht daran getan. Dem jahrzehntelang gepflegten autoritären Verhalten ihrer Intellektuellen-Generation ist nämlich jene „Arroganz der Nachgeborenen“ entsprungen, die der Schriftsteller Günter de Bruyn hier beklagt und der die Beiträger dennoch fast durchweg gehorchen, um anschlußfähig zu bleiben – an was eigentlich? Die Theologin Ranke-Heinemann, die Politiker Eppler, Genscher, Lambsdorff, Vogel, die Schriftsteller Lattmann, Lenz usw. verfallen in einen hölzern-lehrhaften Ton, der kaum etwas von ihrer authentischen Erfahrung, dafür um so mehr die sattsam bekannten „Lehren aus der Geschichte“ vermittelt. Den Vogel schießt der CDU-Politiker und langjährige Chef der deutsch-amerikanischen Atlantikbrücke, Walter Leisler-Kiep ab, den 1945 vor allem die Sorge umtrieb, „ob Deutschland jemals wieder eine zweite Chance zur Einführung einer freiheitlichen Demokratie erleben würde und wieder Mitglied der westlichen Völkerfamilie sein könnte“. Er endet mit einer Eloge auf die Vereinigten Staaten. Hut ab vor der Schauspielerin Barbara Rütting, die seit 2003 für die Grünen im bayerischen Landtag sitzt. Sie nennt sich selber „ein Nazi-Kind“. Ihr Vater sei „ein wunderbarer Lehrer, aber Nationalsozialist“ gewesen, der gleichwohl seinen fünf Kindern eine unbeschwerte und glückliche Kindheit beschert habe. Er starb in einem russischen Internierungslager. Der Schmerz über seinen Tod vermischte sich mit dem Schmerz über die Greuel der Konzentrationslager, von denen sie nach Kriegende erfuhr. Nie, schreibt Rütting, sei sie diesen Schmerz losgeworden, und einen neuen Lebenssinn zu finden, sei ihr nicht geglückt. Auf weniger als zehn Seiten wird ein Menschenschicksal faßbar. Alfred Neven DuMont (Hrsg.): Jahrgang 1926/27. DuMont Buchverlag, Köln 2008, gebunden, 240 Seiten, 19,90 Euo

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