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Marc Jongen, ESN Fraktion

Die Pilgerburg schließt ihre Tore

Die Pilgerburg schließt ihre Tore

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Die Pilgerburg schließt ihre Tore

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Wer die Entwicklung der altehrwürdigen Zeitschrift Castrum Peregrini in den letzten Jahren verfolgt hat, wird sich über ihr plötzliches Ende nicht wundern: Allzu deutlich hing der Verwesungsgeruch schon in der Luft. Schade ist es allemal um diesen 1951 in Amsterdam gepflanzten Lorbeerbusch im Kraut-und-Rüben-Garten der Gegenwartsliteratur, denn, wie Thomas Karlauf unlängst in der FAZ festgestellt hat, „eine solche Zeitschrift wird es nicht wieder geben“.

Dies hängt nicht nur mit ihrem konservativ-elitären, von Stefan George inspirierten Geist zusammen, sondern mehr noch mit der Vorgeschichte ihrer Gründung durch einen Kreis junger deutscher, teils jüdischer Exilanten um den Dichter und Journalisten Wolfgang Frommel (1902–1986), die von der Malerin Gisèle van Waterschoot van der Gracht (geb. 1912) versteckt gehalten wurden und die tägliche Angst vor der Entdeckung durch die gemeinschaftlich vollzogene – geradezu kultisch-religiöse – Vertiefung in die Lyrik insbesondere Georges überwanden.

Um diesen spezifischen Geist nach 1945 am Leben zu erhalten sowie um den mittlerweile verstorbenen Mitgliedern der Runde ein Denkmal zu setzen, gründete Frommel die in unregelmäßiger Folge mit einem Gesamtvolumen von etwa 400 Seiten im Jahr erscheinende, bibliophil aufgemachte Zeitschrift für Literatur, Kunst und Geistesgeschichte, die nach einer Bastion der Tempelritter benannt wurde.

Die Standarten werden von den Zinnen geräumt

Das Themenspektrum reichte von Briefeditionen und Erinnerungen von George-Anhängern bis zu Übersetzungen persischer Sufis, von der antiken Polis über Stauferzeit und Renaissance bis zur Lyrik junger Gegenwartsautoren, doch bildete die soziokulturelle Grundkonstante einer durchgeistigen (Männer-)Freundschaft eine Klammer, die das oberflächlich Disparate zusammenhielt.

Nach dem Tode des unermüdlichen spiritus rector Frommel gelang es seinen Freunden und einstigen Schützlingen Manuel Goldschmidt und Claus Viktor Bock, das einzigartige Erbe noch bis an die Schwelle des 21. Jahrhunderts zu retten, doch der Generationswechsel war unvermeidlich, und mit ihm zog allmählich ein akademischer Stil in der Amsterdamer Herengracht ein, wie er in jedem beliebigen germanistischen Jahrbuch vorherrscht; das Georgesche Ethos verflüchtigte sich, man begann die Gebote der Political Correctness zu beachten und ersetzte schließlich die noch auf Frommels Vorgängerverlag Die Runde zurückgehende Triskele im Verlagssignet durch die Initialen CP.

Insofern ist es besser, wenn in der von den Kreuzrittern verlassenen Burg nun die Standarten von den Zinnen geräumt und die längst fällige Musealisierung als Untergang in Würde betrieben wird, bevor womöglich der erste Aufsatz über Gender-Probleme bei Elfriede Jelinek die heiligen Hallen entweiht. Die noch lieferbaren Titel werden vom Göttinger Wallstein Verlag in Kommission genommen, und dort soll es unter dem Namen „Castrum Peregrini“ eine Buchreihe mit Publikationen zum George-Kreis geben.

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