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Überflüssig

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Cato, Palmer, Exklusiv

Die Prestigepresse eines Landes ist immer ein „exklusiver Club“ (Caspar von Schrenck-Notzing), bedingt durch Einfluß, journalistisches Können und Unabhängigkeit. Das galt in der Vergangenheit, die noch stärker vom Gedruckten bestimmt war, in höherem Maß als in der Gegenwart, aber in der Bundesrepublik wird man sicher sagen können, daß die Frankfurter Allgemeine und die Süddeutsche Zeitung unter den Tagesblättern, der Spiegel und der Focus bei den Magazinen und Die Zeit unter den Wochenblättern als Clubmitglieder betrachtet werden. Heikel war immer schon der Fall der Tageszeitung Die Welt und der in Bonn erscheinenden Wochenzeitung Rheinischer Merkur. Der Grund waren Zweifel an der Geltung des zuletzt genannten Kriteriums: der Unabhängigkeit. Die Welt diente lange Zeit als „Kampfblatt“ eines einzigen Mannes, Axel Springer, der Rheinische Merkur als Sprachrohr des politischen Katholizismus. Weder der Welt noch dem Rheinischen Merkur ist diese engere Bindung gut bekommen, sie hat nicht nur den Einfluß beschränkt, sondern auch viele ferngehalten oder abgestoßen, deren journalistisches Können das Mittel überragte. Der Rheinische Merkur begann seinen Weg 1946 – die erste Ausgabe erschien am 15. März in Koblenz – mit einer Lizenz der französischen Besatzungsmacht und einem Namen, der ganz bewußt programmatisch gewählt war: Rheinischer Merkur hieß die 1814 in Koblenz von Joseph Görres gegründete Zeitschrift, in der Katholizität, Freiheitswille, nationales Kulturbewußtsein und romantische Idee miteinander verschmolzen. Zu füllen war dieser Anspruch mit einer Wochenzeitung kaum, aber der Einfluß des von Otto B. Roegele geführten Rheinischen Merkurs in der Ära Adenauer ist unbestreitbar. Seine Linie – Wiederaufbau, europäische Integration, christliches Wertebewußtsein – entsprach sehr weitgehend dem, was der politische Katholizismus der Nachkriegszeit durchzusetzen suchte. Dessen relative Stabilität verbürgte den Bestand des Rheinischen Merkurs bis in die siebziger Jahre, begrenzte aber auch die Verbreitung. Seit der großen Kulturrevolution ging die Bedeutung sukzessive zurück. Daran konnte auch der Beschluß der Deutschen Bischofskonferenz von 1976 über eine institutionelle Finanzhilfe wenig ändern. Soweit der Rheinische Merkur noch zugewann, geschah das auf Kosten jener Organe, die mit ihm um eine ähnlich strukturierte Leserschaft konkurrierten. Gemeint sind vor allem das von einem Kreis um den späteren Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier 1947/48 ins Leben gerufene evangelisch-konservative Wochenblatt Christ und Welt und die eher nationalkonservative Deutsche Zeitung. Beide hatten sich schon im April 1971 zur Vereinigung gezwungen gesehen, und am Ende des Jahrzehnts war deutlich, daß es nur noch eine Wochenzeitung rechts von der Mitte geben würde. Im Januar 1980 kam es zur Fusion und damit zur Entstehung von Rheinischer Merkur – Christ und Welt. Vielleicht hätte stärker beunruhigen müssen, daß der Titel Deutsche Zeitung sang- und klanglos verschwand, aber in den achtziger Jahren konnte man durchaus den Eindruck haben, als ob die konservative Linie grundsätzlich gewahrt werde. Das lag vor allem an starken Herausgeberpersönlichkeiten wie Otto B. Roegele (katholisch) und Axel Freiherr von Campenhausen (evangelisch), dagegen war die Linie des 1985 als Chefredakteur installierten Thomas Kielinger bestenfalls „schwankend“ zu nennen. Im nachhinein erscheint sein Wirken aber doch in einem milderen Licht, vergleicht man es mit dem von Michael Rutz, der Kielinger 1994 nachfolgte, und nicht nur im Ruf steht, als „Mann Kohls“ installiert worden zu sein, sondern auch erreicht hat, daß der Rheinische Merkur eine ganz und gar langweilige Zeitung geworden ist, die nicht einmal als Milieublatt der best ager taugt. Die Auflage des Rheinischen Merkur sackte von 160.000 im Jahr 1946 schon bis zum Beginn der sechziger Jahre auf weniger als hunderttausend ab, und trotz diverser Übernahmen, trotz nachhaltiger kirchlicher Unterstützung und trotz der geringen Wahlmöglichkeiten im Hinblick auf eine konservative Wochenzeitung fiel sie bis heute auf 89.500 Stück. Das sollte man als Symptom werten: für die Überflüssigkeit dieses Presseorgans und als Ansporn, eine Alternative zu schaffen.

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