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Steuern machen noch keine Kultur

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Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

Die Artikel und Kommentare von Jens Jessen, dem Feuilleton-Chef der Zeit, sind stets lesenswert, denn sie vermitteln eine Ahnung davon, daß der Liberalismus einmal mehr gewesen sein muß als Tugendterror und politische Einschüchterung. Deshalb ist es bedenkenswert, wenn Jessen den geplanten Einbürgerungstest für Ausländer zum Anlaß nimmt, vor Gesinnungsschnüffelei und moralisierenden Fangfragen zu warnen („Demokraten baden nackt“, Die Zeit vom 23. März). In der Tat: Wenn gläubige Muslime dem Vorzeigen von Silikonbrüsten oder öffentlichen Zungenküssen unter Männern – Jessen nennt das: „folkloristischer Plunder der westlichen Lebensweise“ – zum Ausweis ihrer Demokratiefähigkeit emphatisch zustimmen sollen, dann ist das erstens obszön und zweitens geeignet, die Demokratie in Verruf zu bringen und Zweifel an ihrer Überlebensfähigkeit zu säen. Deshalb ist es auch richtig, an Friedrich den Großen zu erinnern, „der von seinen Untertanen wenig mehr verlangte, als ihre Steuern zu zahlen und sich gegenseitig in Frieden zu lassen“. Trotzdem geht seine Kritik am Kernproblem vorbei, muß vorbeigehen, denn es läßt sich aus liberaler Perspektive gar nicht darstellen. Jessen unterschlägt, daß das Toleranzgebot keineswegs voraussetzungslos verfängt, sondern an einen Grundkonsens appelliert, der zwar stets fragil und bedroht ist, sich als Ergebnis einer gemeinsamen kulturellen Entwicklung aber immerhin herausgebildet hat. Was macht man dagegen mit dem jungen türkischen Ehrenmörder, einem, wie die Soziologin Necla Kelek sagt, „schönen, ungemein liebenswerten Menschen“, der ihre Kritik an seiner Tat aus seinem kulturellen Verständnis heraus überhaupt nicht begreifen kann? Der Liberale betrachtet den Menschen innerhalb seiner politischen, sozialen, ökonomischen Bezüge, während der Konservative die kulturellen und religiösen Voraussetzungen für genauso wichtig hält. Der Einbürgerungstest ist unvollkommen und teilweise peinlich, aber wissen seine liberalen Kritiker, die die gegenwärtige Lage durch jahrzehntelanges Gewährenlassen mitverschuldet haben, etwas besseres?

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