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Normalisierung

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Die Rückkehr Deutschlands in den Kreis der zivilisierten Nationen ist nach 1945 alles andere als geradlinig verlaufen. Oft hegten sowohl die Bürger als auch die Politiker der Bundesrepublik unzutreffende Vorstellungen über das, was in der Staatengemeinschaft als normal zu gelten hat. So waren die Deutschen in Ost und West sehr enttäuscht, als sie schon bald in den 1950er Jahren feststellen mußten, daß die leichtfertigen Versprechungen der Alliierten hinsichtlich einer dauerhaften Entmilitarisierung nicht eingelöst werden sollten: Anders als es im Potsdamer Abkommen niedergelegt worden war, standen plötzlich wieder Hunderttausende Deutsche unter Waffen. Da war es nur ein bescheidener Trost, daß der Krieg diesmal nicht von ihrem Land ausgegangen wäre, sondern hauptsächlich in diesem stattgefunden hätte. Immerhin meinten die Bundesbürger, ihr pazifistisches Gewissen durch die kühne These beruhigen zu können, daß die als Konzession an die immer schon unerfreuliche Realität tolerierten Streitkräfte ja nur zur Landes- und Bündnisverteidigung eingesetzt würden. Diese Illusion war besonders zählebig, sie hat sogar die Wiedervereinigung überstanden. Erst in den 1990er Jahren sollten die Deutschen damit beginnen, auf der Grundlage einer Reihe von positiven Erfahrungen mit Auslandsmissionen ihrer Streitkräfte eine neue Wertschätzung für den Einsatz militärischer Mittel zu allen möglichen Zwecken zu entwickeln. Zuerst gewöhnten sie sich an das Bild von Bundeswehr-Soldaten in den entlegensten Weltregionen, dann lernten sie, daß man sich an Kriegen, ja sogar Angriffskriegen beteiligen kann, ohne daß die demokratische Ordnung deshalb gleich ein Unrechtsregime geworden sein müßte. Der nächste Schritt der Normalisierung ist die gleichberechtigte Einbeziehung der Bundeswehr in robuste Einsätze, bei denen es, wie man es vom Militär eigentlich auch erwarten darf, so richtig zur Sache geht. Da man sich für ihn nochmals eine gute Begründung zurechtlegen muß, ist es verständlich, daß der Anlaß der israelischen Expedition in den Libanon nicht ungenutzt bleiben darf. Schon der Kosovo-Krieg bot die Chance, aus Auschwitz eine adäquate Lehre zu ziehen. Um so plausibler ist es, einen Einsatz im Interesse Israels auf diese Weise zu rechtfertigen. Wo die Gründerväter der Bundesrepublik noch meinten, mit Geld „Wiedergutmachung“ betreiben zu können, hätten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr die einmalige Gelegenheit, ihr Leben zu wagen, um in die Verantwortung für die deutsche Schuld einzutreten.

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