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Nachahmung

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Als in der ersten Hälfte der 1980er Jahre der ehrwürdige romantische Ritter-Tod-und-Teufel-Begriff „Gothic“ auch als popmusikalisches Post-Punk-Genre Konturen gewann, tat sich im Windschatten der stilbildenden Sisters of Mercy eine Band hervor, die offenkundig dem ursprünglich urbanen Weltschmerz einen Drall ins hinterwäldlerisch Vorneuzeitliche zu vermitteln trachtete. Wo Andrew Eldritch im nostalgischen Halbstarkenoutfit mit Sonnenbrille und Lederjacke seine dunkle, zerbrechliche Stimme herauspreßte, schienen die Fields of the Nephilim voller Abneigung zur Profanität des Dienstleistungszeitalters bewußt ganz tief in die Verkleidungskiste greifen zu wollen. Die vielen hübschen Mythen von Germanen, Kelten, Römern, Katharern, Mithras-Anhängern, Alt- und Neutemplern mit und ohne satanistischem Beiwerk, an die man sich heute gewöhnt hat, waren damals allerdings noch nicht so sehr in Mode. Also verfielen die Mannen um Carl McCoy auf die Idee, sich hinsichtlich des Bandnamens mit einer Anleihe aus dem Fundus der Heiligen Schrift zu begnügen. Da es in Großbritannien allerdings in der Regel zu kalt und zu naß ist, um sich ohne Folgen für die Gesundheit auch noch nach biblischen Vorbildern kostümieren zu können, orientierten sie sich hier statt dessen am Italo-Western. Das war zwar nicht unbedingt naheliegend, aber durchaus effektvoll: In langen, mit feinem Staub benetzten Ledermänteln und mit abgewetzten Cowboyhüten pflegten sie live auf der in dichten Nebel gehüllten Bühne durch grelles Scheinwerferlicht beim Umschwung eines wabernden Präludiums zu aufbrausendem Gitarrenlärm urplötzlich sichtbar zu werden, unheilbringende, seltsam anonym daherkommende Gestalten, ganz wie die Killer in „Spiel mir das Lied vom Tod“ – für die etwas begriffsstutzigeren Zuschauer, die die Anspielung auf den Kinoklassiker von Sergio Leone nicht auf Anhieb kapierten, gab es sogar dessen Titelmusik dazu. Mit „Elizium“ markierten die Fields of the Nephilim 1990 dann einen der späten und insgesamt gar nicht so zahlreichen Höhepunkte des Genres. Zu einer Fortsetzung sollte es nicht kommen, schon ein Jahr später löste sich die Band auf. Das Raunen verlagerte sich fortan von der Bühne in die Fachpresse, die, zumal Folgeprojekte der Musiker wie Rubicon oder Nefilim in Belanglosigkeit strandeten, regelmäßig über eine Wiedervereinigung spekulierte. Eine solche schien sich tatsächlich Anfang dieses Jahrzehnts zugetragen zu haben, doch die 2002 unter dem Bandnamen veröffentlichte CD „Fallen“ bot bestenfalls nur uninspirierten Allerweltsmetal. Nun liegt mit „Mourning Sun“ (Oblivion/SPV) eine sozusagen offizielle Neuerscheinung der Fields of the Nephilim vor, ohne daß dem Publikum jedoch verraten würde, wer außer McCoy denn zu ihrem Gelingen beigetragen hat. Diese ridiküle Geheimnistuerei trübt den Eindruck, den die neuen Stücke hinterlassen, aber nicht. McCoy und wer sonst auch immer haben die Erinnerung an die Rezepturen, die den Sound von einst so unverwechselbar machten, noch nicht verloren. Diese beachtliche Gedächtnisleistung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich 15 Jahre nicht durch simples Weitermachen überbrücken lassen. Gerade jene Lieder, die mit ungebrochenem Pathos der altvertrauten Endzeitstimmung ganz nahe kommen, wecken den mißmutigen Verdacht, es hier mit einer gewollten und konstruierten Selbstnachahmung zu tun zu haben, die vielleicht auf einem dem Authentizitätsanspruch gemäßen Nichtsandereskönnen gründet – zugleich jedoch auf der Selbstüberschätzung, die Hörer könnten auf etwas gewartet haben, was sie doch in Wirklichkeit in der Vergangenheit gut aufgehoben wissen.

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