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Deutschland braucht Werbung

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Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

Die aktuelle Krise des Goethe-Instituts ist hausgemacht. Wenn man Krisengebieten Multikulturalismusdebatten aufnötigt, Hans Mommsen 40 Jahre durch die Welt tingeln und demonstrieren läßt, wie man sich „von überkommenen Geschichtsbildern löst und die NS-Vergangenheit beharrlich aufarbeitet“; wenn man sich in Jazz als „Weltmusik“ flüchtet, Katholiken in Peru mit „drastischen sexuellen Szenen“ schockt und die Skulptur der Heiligen Rosa von Lima mit blutiger Monatsbinde drapiert; wenn man in Tallinn Schauspieler verstört mit Konzeptregie: Goethes „Clavigo“ als Geschichte einer „zeitgemäß rücksichtslosen Karrieresucht zu lesen“; wenn man sich – weil Deutsch beim Nachwuchs als zu schwierig, uncool und nicht sexy gilt – der Maxime „Wir haben Bock auf Rock“ verschreibt, sodann von Nina Hagen und Nena zu „türkischen Techno-Transvestiten aus Berlin“ übergeht, die man nach Hongkong schickt; wenn schließlich Biermösl Blos’n vom Soldaten singen: „Büblein schwörst du deinen Eid, schlüpfst du in ein Mörderkleid“, was den Verteidigungsminister verblüffend ungerührt läßt – dann stellen sich Fragen nach Kompetenz und Legitimität des Goethe-Instituts. Zumal Sparkrise und Globalisierung die Lage vollends zuspitzen. Daß – pessimistischer Erwartung entgegen – Reflexion aufklären und aus dem Jammertal führen könnte, zeigte indes die jüngste Anhörung im Bundestag. Am 26. Juni tagte dort der Unterausschuß für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik zur „Zukunft des Goethe-Instituts als Instrument der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik“. Möglich, daß der Termin den Beginn einer neuen Periode markiert, wandte der Tenor sich doch einstimmig gegen die bisherige Praxis und forderte eine Wende. Unter dem Vorsitz des CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler und im Beisein der Instituts-Präsidentin Jutta Limbach referierten und diskutierten acht Sachverständige: die Journalisten Heinrich Wefing (FAZ) und Thomas Steinfeld (Süddeutsche), Regisseur Fred Breinersdorfer („Sophie Scholl“), Gerald Schneider, der als Ordinarius für Internationale Politik an der Uni Konstanz die Auswärtige Kulturpolitik der BRD erforscht, Fritjof von Nordenskjöld, bis 2004 deutscher Botschafter in Paris, der Unternehmer Heinz Dürr, Reiner Pommerin aus Dresden, als Historiker dem Goethe-Institut seit 1993 verbunden, sowie Hans Ottomeyer vom Deutschen Historischen Museum Berlin. Der Soziologe Wolf Lepenies hatte seine Stellungnahme schriftlich eingereicht. Die heutige Lage sei grundlegend verändert, seit Ende des Kalten Krieges Deutschlands weltpolitische Bedeutung geschrumpft. Gleichzeitig erzwinge die Globalisierung eine ganz neue Agenda. Überhaupt stehe eine Wende im Außenamt an, dessen Volumen mit unter ein Prozent des Bundeshaushalts skandalös unterdimensioniert (Nordenskjöld) sei im Vergleich zu unseren Nachbarn. Dabei habe Deutschland Werbung heute nötiger als zuvor. Die Bedeutung des Goethe-Instituts als erstrangiger „Imagefaktor“ und „unverzichtbare Grundlage einer effizienten deutschen Außen- und Außenwirtschaftspolitik“ wurde allgemein betont. Als „ein schlagkräftiges Instrument für unsere Außendarstellung in der Welt“ (Dürr) sei es „entsprechend finanziell auszustatten“. So traf die Deckelfinanzierung scharfe Kritik, die schon bisher zu „Nullsummenspielen“ gezwungen, im Ausspielen von Aufbau- und Abbauländern „inneren Kannibalismus“ (Wefing) befördert habe und nunmehr absurde Konsequenzen erzwinge. Die Präsenz in neuen strategischen Regionen sei unumgänglich, doch die Reduzierung europäischer Standorte katastrophal. Nordenskjöld zerstörte den Glauben an eine etwaige „Selbstläufigkeit“ deutscher Kultur und Sprache in Europa. Im Gegenteil: „Die deutsche Sprache vergißt sich, sackt ab, das Interesse an Deutschland verfällt.“ In Frankreich sei der Wettbewerb mit Spanien kaum zu halten, die Jugend ohnehin ganz westwärts orientiert. Das stimuliere alte antideutsche Klischees, beweise freilich nur, daß Kulturpolitik mit jeder Generation „neu anfangen“ müsse. Sowenig die deutsche Stimme in Europa selbstverständlich, sowenig plausibel sei eine „europäische Identität“, zumal nach außen. Der deutsche Drang, europäisch zu fusionieren, unterschätze das Konkurrenzverhalten der Mitspieler ebenso wie den Wunsch der Adressaten in Afrika und Asien nach Differenz und nationaler Eigenart. Der verlange in unserem Fall neben der Spracharbeit Angebote wie Deutschen Idealismus, klassische Literatur und die politischen Themen der Teilung und Widervereinigung. So wandte man sich der Programmarbeit zu. Überwältigend klar drangen die Befragten auf Ausbau der Kernkompetenzen Spracharbeit und deutsche Kultur, geißelten dagegen kulturelles „Ausweichen“ und den Versuch, „dem Deutschen“ zu entkommen. Steinfeld pointierte: „Das Goethe-Institut möchte europäisch werden, es möchte post-national agieren, es möchte sich im Zeichen von Migration und Globalisierung neu erfinden. Es hält das Nationale in der Kultur für weithin überholt und pflegt doch gleichzeitig satzungsgemäß die deutsche Sprache und feiert das Schiller-Jahr. Das GI hat (…) infolge seiner ständigen kulturpolitischen Selbstüberforderung keinen zureichenden Begriff von der ‚deutschen Kultur‘, die es doch im Ausland repräsentieren soll.“ So kam bisherige Projektarbeit unter Beschuß, zumal deren Schwerpunkte: lokale Entwicklungspolitik, globale Konzept- und abstrakte Wertthemen (Friedensicherung, Völkerverständigung, Konfliktforschung, Krisenprävention, Multikulti), Demokratieexport, Kunst- und Kulturentgrenzung, Deutschlandkritik bis hin zur Reflexionsspirale eines „weltumspannenden Konferenz- und Vortragswesens“. Wie etwa die Documenta Kunst durch globalen Diskurs ersetzt, so das Goethe-Institut Kulturvermittlung durch kulturpolitische Konzeptdebatten à la Jutta Limbach. Absage ans Verlangen nach nationaler Selbstauflösung Eine Absage wurde den „Erlösungsphantasien deutscher Kulturfunktionäre“ erteilt, ihrem Verlangen nach nationaler Selbstauflösung. Globalisierung dürfe nicht als Einbahnstraße mißverstanden werden. Es gehe nicht an, den Teilchenwirbel immer nur auf die eigene Kultur zu übertragen und sich zum Medium eines uferlosen Pluralismus machen, vielmehr umgekehrt: substantiell eigene Beiträge zum internationalen Konzert beizusteuern. So kreiste die Debatte überraschend intensiv um „Kanon“ und „starken Kulturbegriff“, wurde gar ein Bewußtsein vom „Erbe“ gefordert. Statt modischer Zyklen und kurzfristiger Events lautete die Forderung nach langfristiger Planung. Auswärtige Kulturpolitik, so Heinrich Wefing, ist „eine Investition in die Zukunft der Bundesrepublik (…) kein Luxus, kein cremiges Sahnehäubchen auf dem Graubrot der Außenpolitik, es liegt vielmehr im nationalen deutschen Interesse“. Bibliothek des Goethe-Instituts in der indischen Hauptstadt Neu Delhi (2003): Deutsch gilt als uncool

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