Eher pflichtschuldig als lustvoll hat die CSU den sechzigsten Jahrestag ihrer Gründung gefeiert. Die Einsicht, daß einer Partei, die einen Edmund Stoiber als Vorsitzenden mitschleppt, Kraftmeierei nicht ansteht, scheint unterdessen auch in der bayerischen Nomenklatura Gemeingut geworden zu sein. Die Bundestagswahl mit ihrem dramatischen Stimmeneinbruch war ein Warnschuß vor den Bug. Umfragen lassen befürchten, daß die Talfahrt weitergeht. Niemand mag mehr ausschließen, daß das Undenkbare geschieht und die Alleinherrschaft der CSU schon nach den Landtagswahlen 2008 dahin ist. Um so unverständlicher ist es, daß das Jubiläum nicht dazu genutzt wurde, sich wenigstens im Rückblick an sich selbst zu erfreuen. Seit 1962 regiert die CSU im Freistaat mit absoluter Mehrheit. Länger hat nicht einmal die SED das Ruder in ihrem Teil Deutschlands in Händen zu halten vermocht. Im Gegensatz zur einstigen Staats- und Volkspartei des Ostens wird die CSU bei ihrem Abtreten aber keine Ruinenlandschaft hinterlassen. Sie hat ihre Entwicklungsdiktatur zum Wohle der Menschen, vor allem natürlich der ihr nahestehenden, einzusetzen gewußt. Mit der gelungenen Modernisierung sind aber zugleich die Voraussetzungen entfallen, die eine CSU, wie man sie bisher kannte, möglich und nötig machen. Die Erkenntnis, daß irrationale Bindungen an eine Partei in einer Demokratie eigentlich fehl am Platz sind, setzt sich auch im Freistaat durch, die Scham, als Stammwähler belächelt zu werden, grassiert selbst in sicher geglaubten Milieus. Zudem ist die CSU in München und Berlin auf jenen neoliberalen Kurs eingeschworen, den zu steuern heute jede Regierung in Land und Bund gezwungen ist, aus welchen Parteien auch immer sie sich zusammensetzen mag. Wer das Pech hat, in verantwortlicher Position zu sein und damit Haushaltsdisziplin durchsetzen, Deregulierung und Sozialabbau betreiben und den Bürgern Verzicht predigen zu müssen, verliert notwendigerweise den Nimbus der Volkspartei, da sich dieser nun einmal schlecht mit einer gegen die Interessen der Massen gerichteten Politik vereinbaren läßt. Die CSU trifft dies gleich doppelt, da sie in der Wahrnehmung der Menschen bislang sogar zwei Volksparteien in einer verkörperte – eine christlich-demokratische und eine blau-weiß-sozialdemokratische. Wie ihre Konkurrenten darf sie sich aber damit trösten, daß die Bürger ja auch in Zukunft irgendwen wählen müssen. Ehe sie sich von jemand anderem enttäuschen lassen, könnten sie doch gleich bei der CSU bleiben.