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Die bösen Fratzen des Kapitalismus

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Zum 80. Geburtstag des Malers Bernhard Heisig ehrt seit dem 20. März das Leipziger Museum der bildenden Künste (MdbK) mit einer Ausstellung dessen Lebenswerk. Das von der Kulturstiftung des Bundes mit 250.000 Euro geförderte Projekt wird anschließend auch an der Düsseldorfer K 20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und der Berliner Nationalgalerie zu besichtigen sein. Der Zugang zum Werk des am 31. März 1925 in Breslau Geborenen fällt an der langjährigen Wirkungsstätte nicht schwer: Der Künstler zählte neben Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke als Lehrer und langjähriger Rektor der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) zu den Protagonisten der „Leipziger Schule“ in der DDR. Die jetzige Präsentation ist bereits die dritte Großausstellung des MdbK, die sich seinem Schaffen widmet – wenngleich die erste nach 1989/90. Zudem besitzt das Museum eine größere Auswahl an Gemälden, Zeichnungen und Grafiken. Daß Heisigs Werk bis heute in erster Linie durch seine Historiengemälde geprägt wird, erschließt sich dem Betrachter der Ausstellung bereits beim flüchtigen Rundgang schnell. Für Heisig war die Beschäftigung mit geschichtlichen Themen auch immer eine Auseinandersetzung mit der eigenen Person. Als begeisterter junger Nationalsozialist hatte der sechzehnjährige Kriegsfreiwillige mit der 12. SS-Panzerdivision „Hitlerjugend“ an den Kämpfen in der Normandie nach dem Beginn der alliierten Invasion am 6. Juni 1944 und an der Ardennenoffensive im Dezember 1944 sowie an der Verteidigung der „Festung Breslau“ von Ende März bis Anfang Mai 1945 teilgenommen. Nach kurzer Zeit in sowjetischer Kriegsgefangenschaft kam Heisig noch in Breslau mit polnischen, russischen und holländischen Künstlern in Kontakt und begann seine Vorstellungen sowohl von Kunst als auch von der Gesellschaft zu hinterfragen. Ende 1946 mußte er mit seiner Mutter Breslau verlassen und gelangte ins thüringische Zeitz. Die Dialektik siegte über das Feingefühl 1947/48 war Heisig in einem graphischen Betrieb in Gera tätig. Seine erste Bewerbung an der damaligen Staatlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig (ab 1. September 1951 Hochschule für Grafik und Buchkunst) wurde abgelehnt. Daher wählte er zunächst den Weg über die Kunstgewerbeschule bei Werner Münze, einem überzeugten Altkommunisten. Münze wird schnell zu seinem Förderer, nachdem er sich von seinen Fähigkeiten überzeugt hat und Heisig seinen Eintritt in die SED vollzieht. Bald danach kann er sein Studium an der HGB aufnehmen. Zunächst orientiert sich Heisig an Vorbildern wie Adolph Menzel und Max Klinger. Nach Skizzen zur Aufbahrung der Märzgefallenen während der bürgerlichen Revolution von 1848/49 nach Menzel malt er 1954/58 im Auftrag der Goethe-Schule in Leipzig das Gemälde „1848 in Leipzig“, welches bürgerliche Aufständische auf dem Marktplatz der alten Handelsstadt unmittelbar vor der Kulisse des Alten Rathauses zeigt. Die dargestellten Personen wirken im Gegensatz zu den Vorarbeiten auffällig statisch. Möglicherweise ist diese Vorsicht auf die noch frischen Ereignisse des 17. Juni 1953 zurückzuführen, die Heisig unmittelbar vor Ort erlebte und die ihn vor allzu großem revolutionärem Pathos zurückschrecken ließen. Der Druck auf Heisig war zu diesem Zeitpunkt allerdings schon groß, da er seinen ersten Auftrag für ein größeres Historiengemälde nicht erfüllen konnte: Am 18. Januar 1952 war das Museum für Deutsche Geschichte gegründet worden, für welches die Räume des Berliner Zeughauses genutzt wurden. Die bildende Kunst sollte dazu beitragen, in dessen Räumen „den Kampf um die Einheit Deutschlands und den Aufbau des Sozialismus“ deutlich zu machen. An Heisig erging der Entwicklungsauftrag, ein Bild über den „Kapp-Putsch in Essen“ zu malen. Um sich den historischen Ort genauer anschauen zu können, durfte er in die Ruhrmetropole reisen. Vor Ort stellte er allerdings fest, daß die Ereignisse in Wirklichkeit einen anderen Verlauf genommen hatten, als sie das offizielle DDR-Bild vermittelte: Am Essener Wasserturm hatte die „Rote Ruhrarmee“ keineswegs einen „heroischen Sieg“ über Freikorpssoldaten errungen, sondern lediglich über eine Polizeieinheit, die sich zuvor der Übermacht ergeben hatte und feige niedergemetzelt wurde. Im Spannungsverhältnis zwischen historischer Wahrheit und Anspruch der Auftraggeber zieht Heisig schließlich das Vorhaben zurück. Wenige Jahre später wird er jedoch erneut mit dieser Thematik konfrontiert, als er den Auftrag von der SDAG Wismut erhält, ein Gemälde zum Kapp-Putsch in Gera zu malen. Diesmal scheinen zumindest die Fakten zu stimmen: Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund hatte am 15. März 1920 auf dem Marktplatz von Gera zu einer Massendemonstration aufgerufen, die vom Militär nicht aufgelöst werden konnte. Trotz der eindeutigen Erwartungen der Auftraggeber enthält Heisigs Gemälde von 1960 keine Feindbildprojektionen: Die angsterfüllten Gesichter von gefangengenommenen, jungen und unerfahrenen Putschisten erregen eher Mitleid. Als Heisig über zwei Jahrzehnte später eine zweite Fassung des Bildes erstellt, fehlt hingegen bei der Darstellung der Soldaten jegliche Differenzierung: Ihre Gesichter sind nun klischeehaft, mit aufgeblasenen Köpfen und Schweineschnauzen. Zudem tragen sie Stahlhelme mit Hakenkreuz, obwohl dieses Symbol in dieser Form zu diesem Zeitpunkt nur als Zeichen der Marinebrigade Ehrhard in Berlin verbürgt ist. Die Dialektik hat den Sieg über Differenzierung und Feingefühl gewonnen. Schaffenskrise nach dem Zusammenbruch der DDR Diese Entwicklung läßt sich auch bei anderen Bildern beobachten: Seit 1956 widmete Heisig seine besondere Aufmerksamkeit der Pariser Kommune von 1871, die in der sozialistischen Geschichtsschreibung als unmittelbares Vorbild und Lehrbeispiel für die russische Oktoberrevolution 1917 angeführt wurde. Bei den ersten Entwürfen zu diesem Stoff ist wiederum auffällig, daß die Bilder noch den Tenor des Authentischen tragen und revolutionären Pathos vermeiden. Für Heisig war der Aufstand in erster Linie ein tragisches Ereignis, für welches er lieber eine abwartende und distanzierte Haltung der Charaktere statt der Inszenierung wilder Kampfszenen wählte. Die Kritik von Staats- und Parteichef Walter Ulbricht ließ daher nicht lange auf sich warten: Es sei „kein vorwärtsstürmendes Proletariat“ erkennbar, statt dessen dominiere Unentschlossenheit. So schuf Heisig Mitte der sechziger Jahre überarbeitete Entwürfe, in denen er die Zahl der Personen erweiterte und das Kampfgeschehen nunmehr durch schmerzverzerrte Gesichter hervorhob. Im Gegensatz zu den ersten Versuchen enthielten die Darstellungen bereits eindeutige Posen unter anderem mit der Symbolisierung des Siegeszeichens, die unzweifelhaft dem Wunsch nach „stärkerer Parteilichkeit“ entgegenkamen. Nach ersten positiven Besprechungen wandelten sich jedoch schnell wieder die Reaktionen der SED-Presse und ihrer „Kulturpäpste“: Heisig symbolisiere eine „Endstimmung“ durch „chaotische Verwüstungen“ sowie, indem er die „letzten Augenblicke vor dem Hingemordetwerden“ verdeutliche, was keineswegs ein „geeignetes Sinnbild für die heroischen Kämpfe“ sei. Nachdem Heisig schließlich alle sechs Fassungen der Jahre 1958-1970 vernichtet hatte, schuf er ein Werk, welches dem Verlangen nach einer „dialektische Bewertung“ des Ereignisses entgegenkam: 1971/72 entstand ein vierteiliges Ölbild zur „Pariser Kommune“, welches nicht nur einer martialischen Überhöhung der Ereignisse gleichkam, sondern auch mit klaren Feindbildzuweisungen aufwartete. Alle Gegner der Kommune werden ins Fratzenhafte verzerrt: die gegenrevolutionären Soldaten, die Kapitalisten, die Priester und die Justiz. Stilistisch erinnern diese Darstellungen an Collagen von George Grosz aus den zwanziger Jahren. Heute distanziert sich Heisig von dieser Fassung: Er habe gegenüber den Wünschen der Auftraggeber „zu viele Zugeständnisse gemacht“. Zumindest seit Mitte der siebziger Jahre, als Heisig ein zweites Rektorat an der Hochschule erhielt, nachdem er das erste aufgrund von Konflikten mit der Parteiführung in Berlin im Februar 1964 niedergelegt hatte, ist die deutliche Anbindung sowohl an die politischen als auch künstlerischen Herrschaftsvorstellungen unverkennbar. Obwohl sich Heisig aufgrund seiner zweifellos hohen Fähigkeiten gerade einer jüngeren Generation auch abseits der eingetretenen Pfade immer wieder Wege aufzeichnen konnte und sich dabei große Verdienste erwarb (z.B. als Lehrer von Sighard Gille, Arno Rink und Neo Rauch), stand doch das Schaffen sehr stark unter dem Damoklesschwert des ständigen Schließens von Kompromissen. Wie sehr Heisig selbst darunter litt, verdeutlichte seine große schöpferische Krise nach dem Zusammenbruch der DDR im Herbst 1989. Erst seit Mitte der neunziger Jahre konnte Heisig mit der erneuten Anknüpfung an sein Ausgangsthema, die Auseinandersetzung mit Krieg und Gewalt sowie der individuellen Schuld, im Kunstmarkt der Bundesrepublik wieder Fuß fassen. Zahlreiche Selbstporträts zeigen neben seiner stilistischen Entwicklung auch die zunehmende innere Zerrissenheit. Die Beschäftigung mit Heisigs Werk läuft nahezu zwangsläufig auf eine Auseinandersetzung mit der Kunst der DDR und der Frage der Systemnähe hinaus. Ging die enge Einbindung der künstlerischen Eliten nicht mit dem weitestgehenden Verlust dessen einher, was Kunst im klassischen Sinne bedeuten soll – Ausdruck des tiefen inneren Empfindens des Schöpfers zu sein? Wer darauf Antworten sucht, sollte zumindest einen der drei Ausstellungsorte besuchen. Bernhard Heisig, „Pariser Kommune III – Pariser Märztage 1871“ (Öl, 1962): Zu viele Zugeständnisse an die Wünsche der Auftraggeber Die Ausstellung „Bernhard Heisig – Die Wut der Bilder“ im Museum der bildenden Künste Leipzig ist bis zum 29. Mai täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, Mi 12 bis 20 Uhr, zu sehen. Tel: 03 41/21 69 99 14, Internet: www.mdbk.de ; E-Post: jdittmer@leipzig.de . Der reich bebilderte Katalog mit 368 Seiten kostet 24 Euro.

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