Die Originale sterben aus – oder gehen in den Ruhestand. Wie Kalle Gaffkus zum Beispiel, bei dem ich Harald Juhnke zuweilen traf. Gaffkus hatte auf dem S-Bahnhof Schlachtensee eine Kneipe namens „Kalle uffm Bahnhof“. Wirt Kalle träumte noch von früheren Rock-Zeiten, denn er war mal Weltmeister im Rock’n’Roll gewesen. Inzwischen kochte er für eine Reihe von Promis – unter anderem für Harald Juhnke und Günther Pfitzmann. Hier begegnete einem Harald mit Frau oftmals bei einem Glas Wasser. War es der Einfluß seiner Frau? Disziplin? Oder die Angst, wieder schwach zu werden? Mein Freund Zelli, der Karikaturist Stenzel, pflegte in solchen Fällen zu sagen: „Wenn ich Durst habe, sieht es keiner, wenn ich besoffen bin, dann sehen es alle.“ Manchmal erschien Harald Juhnke auch zu meinen Nikolaus-Partys, auf denen es dann aber nicht so trocken zuging. Doch wie das bei „geübten“ Trinkern so zugeht – meist merkt man ihnen nichts an. Einige Male traf ich ihn auch hinter der Bühne, Gott sei Dank nur bei Proben. Ich fand es unpassend, daß er mich mit einem Glas Sekt – oder war es Champagner? – in der einen Hand, die Flasche in der anderen, begrüßte: unpassend gegenüber seinen Kollegen, denn die konnten die Proben nicht mehr fortsetzen. Aber was zeichnet ein wahrhaftes Original aus? Daß man ihm nicht böse sein kann! Eine andere Szene ist mir lebhaft in Erinnerung. Ein vollbesetzter Kinosaal am Prenzlauer Berg gleich nach der Wende. Auf dem Podium die SPD-Politikerin Regine Hildebrandt, Harald Juhnke und ich. Ich kam gerade von einem politischen Frühschoppen, bei dem es nicht nur um Argumente ging. Schließlich fing die Veranstaltung ja erst um die Mittagszeit an. Harald mußte ähnliches durchlebt haben. Jedenfalls waren wir „voll des süßen Weines“, was wir nach besten Kräften versuchten, uns nicht anmerken zu lassen. Rechts von mir die Kodderschnauze Regine Hildebrandt – Gott hab sie selig – und links von mir Harald. Ich fetzte mich mit der Ministerin über Helmut Kohl. Trotz seines Zustands gelang es Harald, die Balance zu halten, weil er es mit keinem verderben wollte. Harald war im Grunde kein politischer Mensch und Politik eben nicht sein Bier. Im „Hauptmann von Köpenick“, den Juhnke so überzeugend gespielt hat, fragt sich der Schuster Wilhelm Voigt: „Wat haste jemacht mit dein Leben?“ – Anderen Freude gegeben! Heinrich Lummer , Jahrgang 1932, CDU-Politiker, war Bürgermeister und Innensenator von Berlin, bevor er zehn Jahre lang bis 1998 dem Deutschen Bundestag angehörte.
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