Der Daumen des Papstes ist in dieser Angelegenheit von großer Wichtigkeit. Hat er ihn nach oben gestreckt? Hat Johannes Paul II. gesagt: „Es ist, wie es war!“ Noch immer streiten amerikanische Medien, wie das inzwischen dementierte Lob des Heiligen Vaters über Mel Gibsons Film „The Passion of the Christ“ aus den Mauern des Vatikans bis nach New York dringen konnte. Übelmeinende Kommentatoren maulen, Gibson habe den päpstlichen Segen wohl nur geträumt oder ein raffiniertes Marketing streue solche Gerüchte. Dabei kann sich Gibson über mangelnde Aufmerksamkeit für seine Verfilmung der letzten Stunden vor Christi Kreuzestod kaum beklagen. Seit Wochen überschlagen sich die amerikanischen Zeitungen mit immer neuen Berichten zu „The Passion“. In der nächsten Woche nun, am 25. Februar, läuft der Film in den US-Kinos an. Christliche Verbände, besonders die Fernsehprediger („Televangelists“) mit ihrer starken Medienpräsenz, heizen die fiebrige Erwartung an. Gibsons Werbemaschinerie läuft wie geschmiert, wobei der australische Schauspieler, der die Dreharbeiten für „The Passion“ mit rund 25 Millionen Dollar aus eigener Tasche finanziert hat, weniger ein finanzielles als ein spirituelles Interesse am Erfolg seines Films reklamiert. Für den strenggläubigen Katholiken ist es eine Art Kreuzzug gegen das gottlose Hollywood. Seine Anhänger sind begeistert: „Es wird der Katalysator für die Konversion von Hunderttausenden von Leuten sein“, jubelt Pastor Jerry Johnston aus Kansas City, der gleich sechs Filmtheater für seine Schäfchen mieten wird. Nachdem sich Gibson ersten scharfen Angriffen ausgesetzt sah, der Film könne antisemitische Vorurteile bestärken, hat er angefangen, „The Passion“ ausgewählten Zielgruppen vorzuführen. Der Erfolg ist gewaltig. Zu den streng kontrollierten Vorführungen strömen seitdem ungezählte Geistliche, um sich ein eigenes Bild zu machen. So überlagert mittlerweile eine eifrige Mund-zu-Mund-Propaganda die Skandalberichterstattung um das Jesus-Drama. Frank Wright, Präsident der National Religious Broadcasters (NRB), erklärte hoffnungsfroh: „Noch nie hat ein Film so eine Begeisterung bei der christlichen Gemeinde ausgelöst.“ Solche Worte stoßen jenen bitter auf, die bis zuletzt vergeblich versuchen, den Kinostart mit Hinweis auf die angebliche antisemitische Botschaft von „The Passion“ zu behindern. Gegen den Jubelchor der Gibson-Fans wirken ihre Warnungen schrill: „Glaube ich, daß es wegen des Films Pogrome geben wird?“ sagt Rabbi David Elcott, einer der Direktoren des American Jewish Committee (AJC). Zwar bescheidet Elcott die Frage mit einem knappen „Nein“, doch schon der Gedanke an Ausschreitungen in Amerika erscheint den meisten Beobachtern ziemlich absurd. Auch daß moslemische Extremisten ausgerechnet einen Jesus-Film als Bestätigung ihres Judenhasses benötigen sollten, wie einige Kritiker zu bedenken gaben, ist wenig wahrscheinlich. Mit ein wenig Glück könnte die Kontroverse in konstruktive Bahnen gelenkt werden. Einige Kritiker sind besänftigt, daß Gibson für die endgültige Fassung des Films auf ein umstrittenes Bibelzitat („Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“) verzichten wird. Nur die Anti Defamation League (ADL) zeigt sich unversöhnlich. Gemeinsam mit dem AJC plant sie eine Aufklärungskampagne über propagandistische Passionsspiele im Mittelalter, die kollektiv Juden als Schuldige für Christi Tod darstellten. Abraham Foxman, Chef der ADL, hat Gibson mehrfach brieflich aufgefordert, einen Nachspann zum Film zu drehen, dessen Text er, Foxman, gerne liefern werde. Gibson strafte das Angebot mit Nichtbeachtung. Nachdem die jüdischen Kritiker erkennen mußten, daß Skandalgeschrei „The Passion“ nur populärer machte, verlangen sie nun, der Film solle wenigstens nicht zu Unterrichtszwecken gezeigt werden. Genau dies aber planen evangelikale Gruppen. In einer einstündigen Sendung erklärte ein christlicher Kabelkanal letzte Woche seinen Zuschauern, darunter vor allem Priester und Pfarrer, wie sie „The Passion of the Christ“ zur Mission nutzen sollten. Schon jetzt drucken evangelikale Unternehmer spezielle Bibeln mit Illustrationen aus „The Passion“. Nach Ansicht von Daniel Southern, Präsident der American Tract Society, ist der Film „eine der größten Chancen für die Evangelisierung seit zweitausend Jahren“.