Was soll man dazu sagen? Und soll man überhaupt was dazu sagen? Muß man, anders gefragt, wirklich über jedes Stöckchen springen, das einem vor die Füße gehalten wird? Schließlich muß nicht jeder Quark auch noch breitgetreten werden. Andererseits, wer nicht neugierig ist, erfährt auch nichts, wie schon der alte Goethe wußte. Also dann, Der Freund, die neue Literaturzeitschrift aus dem Hause Axel Springer. Herausgeber der Zeitschrift, die viermal im Jahr erscheinen soll, ist der Schriftsteller Christian Kracht (JF-Porträt 40/04), Sohn des ehemaligen Generalbevollmächtigten Axel Springers und maßgeblicher Begründer der sogenannten deutschen Popliteratur, über deren kurze Sommer inzwischen der Winter des Vergessens hereingebrochen ist. Als Chefredakteur zeichnet Krachts popliterarischer Schriftstellerkollege Eckhart Nickel verantwortlich; weitere Freunde aus ihrem Dunstkreis tummeln sich unter den Autoren des ersten Heftes, an vorderster Stelle Moritz von Uslar, Albert Ostermaier, Lorenz Schrötzer sowie der allzeit unvermeidliche Benjamin von Stuckrad-Barre. Das Heft selber macht auf den ersten Blick den Eindruck eines Schwulenmagazins, zeigt das Titelbild doch einen nackten, stark behaarten vollschlanken Mann, der offenbar in einer Sauna sitzt und das Attribut „jung“ lediglich noch mit viel Wohlgefallen für sich in Anspruch nehmen kann. Daß es sich bei dieser Assoziation nicht nur um ein Klischee handelt, erfährt man aus dem Mitarbeiterverzeichnis des Heftes. Dort ist über den Zeichner des Titelbildes zu lesen, daß er sich in seinen Arbeiten „mit dem homosexuellen Selbstverständnis älterer Männer beschäftigt“ – was immer das heißen mag. Unverständlich bis an die Grenze zum Ärgerlichen sind auch die Texte dieses Literaturmagazins, das im übrigen auf Anzeigen und Fotos komplett verzichtet. Die meisten Autoren scheinen beim Schreiben nach dem leservergessenden „Endlich kann ich einmal loswerden, was sonst keiner gedruckt hätte“-Motto verfahren zu sein. Dementsprechend ist dann auch das Resultat. Der Freund strotzt auf einer Strecke von 132 Seiten vor langweiligen, peinlichen, zum Teil offenkundig vollkommen sinnfreien Texten, die als überflüssig zu bezeichnen noch das Gnädigste ist, was man von ihnen sagen kann. Wenn sich zum Beispiel ein Benjamin Stuckrad-Barre den erfolgreichen Unterhaltungsautor Wladimir Kaminer vorknöpft und ihm bescheinigt, er spreche „unheimlich schlechtes Deutsch“ und schreibe „auf ganz niedrigem literarischen Niveau“, dann ist daran einzig das pennälerhafte Gestammel Stuckrad-Barres bemerkenswert. Man fragt sich nach der Lektüre unweigerlich, was den Springer-Konzern geritten haben mag, eine Zeitschrift zu verlegen, die weder ökonomischen Ertrag noch Imagegewinn verspricht. Das Geld dafür hätte Mathias Döpfner ebensogut verbrennen können. Der Freund, c/o Axel Springer AG, Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg. Das Einzelheft kostet 10 Euro.
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