Anfang April ist Oriana Fallacis zweites Buch nach dem Anschlag auf das World Trade Center erschienen. Das rund dreihundert Seiten starke Werk „La forza della ragione“ („Die Kraft der Vernunft“) der in New York lebenden italienischen Starautorin ist den Opfern von Madrid gewidmet und liegt bislang nur auf italienisch vor, soll in Kürze aber in mehreren Übersetzungen erscheinen. Das Verlagshaus Rizzoli wurde wegen der Herausgabe der unverhohlen islamfeindlichen Schrift bereits massiv bedroht, nichtsdestotrotz werden die 200.000 Exemplare der Startauflage rasch verkauft sein. Zehn Jahre öffentliches Schweigen lagen hinter der publizistisch und literarisch erfolgreichen Autorin, die in den späten sechziger Jahre für ihre politischen Interviews berühmt geworden war. 2002 kehrte sie in die Medienwelt zurück, mit einem Buch, das mit „Pamphlet“ noch untertrieben charakterisiert ist. „Die Wut und der Stolz“ (JF 37/02), eine Abrechnung sowohl mit dem Islam als auch mit der von ihr als zu friedfertig empfundenen westlichen Welt, wurde über eine Million Mal verkauft und vermochte mit seinem flammenden Kampfaufruf gegen die „arabische Bedrohung“ die politischen Lager zu spalten. Was den einen als vulgäres Delirium, von Rassenhaß gespeist, erschien, galt den anderen als mutiger Aufschrei einer 72jährigen Kassandra. Das Furiose, Rasende ihrer Wortwahl ist seit jeher eines der Kennzeichen der Bücher Fallacis. Ein großer Mist gerät der krebskranken Seniorin gern zur „verwichsten Superscheißwichserei“ – aus dem Bauch heraus, nicht aus dem Kopf, lautet die ebenso populäre wie von der Kritik bemäkelte Devise. Den regelmäßigen Griff unter die Gürtellinie, die allenthalben mit Fäkalausdrücken gespickte Gossensprache empfinden ihre Anhänger als wuchtig und authentisch, anderen gilt sie schlicht intellektuell minderbemittelt, als zotig, wenn nicht faschistisch. Letztere Parallele liegt nicht eben fern, und die Feststellung des Publizisten Ludwig Amman, daß seit Hitlers „Mein Kampf“ kein Buch so erbarmungslos einer ganzen Religionsgemeinschaft den Kampf erklärt habe, ist nicht leicht von der Hand zu weisen. Derartige Anwürfe läßt Fallaci freilich nicht gelten. Um Mißverständnisse auszuräumen, hatte sie nach dem Furor, den „Die Wut und der Stolz“ weltweit ausgelöst hatte, noch 2002 einen Essay „Über den Antisemitismus“ hinterhergeschoben. Als erklärte Antifaschistin, die bereits als Jugendliche in der Resistenza aktiv war, empfand sie ihre Stimme stets als die der Freiheit, und der Vorwurf, sich „faschistischer Nazisprache“ zu bedienen, ist die von ihr selbst immer wieder geschwungene Kategorienkeule gegen Andersdenkende. Faschisten: für Fallaci sind das über den historischen Kern hinaus die Feinde Israels und der USA. Faschisten, so entlarvte sie in den späten Siebzigern in ihrem autobiographisch verhafteten Roman „Ein Mann“, haben ihren Geliebten, den lange inhaftierten Terroristen Alexandros Panagoulis, töten lassen; wahre Faschisten seien Palästinenser und deren Anhänger – und eben der Islam. Diese Einschätzung war es, die ihre Kampfschrift in den ersten Monaten nach dem 11. September 2001 so einzigartig machte: Bevor sich mit dem Angriff der Bush-Krieger auf Afghanistan die öffentliche Meinung endgültig polarisierte, war die Lesart von radikalen Einzeltätern die eigentlich gängige. Fallaci dagegen verzichtet auf Wenn und Aber, ihre Welt kennt keine Grautöne. Ihre Häme gegen die westlichen „Luxuszikaden“, die liberalen Politiker und Intellektuellen Europas, den deutschen Hang zur Selbstverleugnung im besonderen, mag in konservativen Kreisen Zustimmung finden. Immerhin ist es eine Rarität, daß eine Journalistin, deren Bücher Auflagen in sechsstelliger Höhe erreichen, so klare Worte gegen pazifistische Laschheit findet und vehement Intoleranz gegenüber den grenzenlos toleranten Multikulti-Verfechtern einfordert. Die Lega Nord versucht schon seit längerem erfolglos, die Toskanerin Fallaci für ihre Politik zu vereinnahmen. Das Ansinnen der rechten italienischen Partei, 200 Exemplare von „La forza della ragione“ öffentlich zu verschenken, löste in der vorvergangenen Woche Gegendemonstrationen aus. Der laute Donner ihrer erneut aufgefahrenen schweren Wortgeschütze gegen den Islam jedoch übertönt den Mangel an Geist und Inhalten, den die ungläubige Weltbürgerin Fallaci („Ich bin Atheistin, Gott sei Dank!“) dem Ungeist der arabischen Welt (in ihrer Diktion: „Kamelficker“) entgegenzusetzen hat. „Wie die Ratten“ vermehrten sich die Moslems, auf daß der „ganze Islam ein Teich“ würde, „in dem wir zu versinken drohen“. Der Körper der Frau, so wütet sie mit ihrer „Kraft der Vernunft“, sei die wichtigste Waffe, derer sich die Moslems bemächtigten. Genau hier liegt der Knackpunkt. Die derartige Überlegenheit an „biologischem Potential“ der islamischen Welt – genau wie auch die israelischen Geburtsraten gegenüber den auf hohem Niveau steigenden palästinensischen stagnieren – ist für Fallaci ein Gipfel der Infamie und zudem ein Grund, Muslime auf die Stufe kopulierender Tiere, namentlich Ungeziefer, zu stellen. Ein „Kampf der Wiegen“ paßt nicht in die vage zivilgesellschaftliche Vision der Journalistin. Mutterschaft nämlich lief seit jeher ihrem eigenen emanzipatorischen Selbstbild zuwider. In ihrem bis heute von feministischen Kreisen gefeierten Buch „Brief an ein nie geborenes Kind“ (1977), einem autobiographischen Selbstbewältigungsmonolog, beschrieb die Fallaci das Ungeborene im eigenen Leib als Monster, das die Frau als Persönlichkeit auszusaugen droht: „Wie ein Dieb in der Nacht hast du dich eingeschlichen und meinen Körper, mein Blut und meinen Atem gestohlen. Und jetzt wirst du mir meine ganze Existenz stehlen. Das werde ich dir nicht erlauben.“ Dazu paßt ihr heutige Einschätzung des Islam als primär „bedrohliche Männerbewegung gegen jede selbstbestimmte Frau“. Muslime, so erklärt sie dem „amerikanischen Plebs“, den sie – gänzlich unironisch – ihre Hoffnung nennt: das sind die, die „fünfmal am Tag mit dem Hintern in der Luft beten“, und die „euch verbieten wollen zu vögeln, wann, wo und mit wem ihr wollt“. Freiheitsstreben nannte die Journalistin als Grund für ihren Fortzug aus der italienischen Heimat nach New York. Freiheit, das darf ruhig auch Dekadenz heißen, solange sie selbstbestimmt ist und sich zu verteidigen weiß – so die Weltsicht der Fallaci. Daß kulturlos, nämlich befreit von Religion, Sitte und Tradition, der von ihr eingeforderte Kulturkampf nicht zu führen ist, diese Einsicht fehlt der Autorin. Ruhm und Alter müssen eben nicht weise machen – und wer ständig laut spricht, neigt dazu, anderes zu überhören. Foto: Oriana Fallaci: Fordert Intoleranz gegenüber den Toleranten