Hier im Streite offenbarte sich manche widerstrebende Ansicht“, berichtet der gerade einmal 19jährige Karl Marx am 10. November 1837 seinem Vater über den „Doktorclub“, dessen Zusammenkünfte er während seines Studienaufenthaltes in Berlin besucht. Sehr viel mehr ist über diesen Kreis jedoch nicht überliefert – trotz der illustren Persönlichkeiten, die dort in diesen Jahren zusammenfanden. Offenbar hat Bruno Bauer seine Atmosphäre eine Zeitlang geprägt. Manche der Besucher sind, wie auch Marx, wohl hier mit der Philosophie Georg Friedrich Hegels in Berührung gekommen, ohne sich allerdings auf dessen „Kompromisse“ mit der preußischen Wirklichkeit einlassen zu wollen – statt dessen interpretierten sie ihn lieber mit „radikaler“ Absicht als einen Apologeten der Französischen Revolution. Später brachte man jene Autoren, von denen sich ein markanter Ausschnitt bereits im Doktorclub getroffen hatte, auf den Begriff der „Junghegelianer“ oder der „Hegelschen Linken“. Ihnen ist ihre philosophiegeschichtliche Bedeutung zumeist erst retrospektiv zugekommen. So umtriebig sie auch publizierten, vermochten sie doch nur in bescheidenem Maße in ihre Zeit hinein zu wirken. Es war weniger das breite Publikum, das sie zur Kenntnis nahm, als eine mißtrauische Politik, die eine Destabilisierung der staatlichen Ordnung durch „gefährliche“ Ideen fürchtete. Die Bestätigung, die den Junghegelianern zu Lebzeiten widerfuhr, beschränkte sich daher darauf, daß ihnen wissenschaftliche Laufbahnen ganz verwehrt oder zumindest erschwert wurden. Die Relevanz, die ihnen heute beigemessen wird, schlägt sich, wenn man von den Sonderfällen Karl Marx und Friedrich Engels einmal absieht, leider nicht in einem adäquaten Forschungsstand nieder. Dies ist um so bedauerlicher, als manche von ihnen nach der Atomisierung der Hegelschen Linken noch eine interessante Entwicklung genommen haben – allen voran Bruno Bauer, der zu einem Mitarbeiter an Hermann Wageners (konservativem) Staatslexikon wurde und auch in dessen Berliner Revue publizierte. Dennoch ist über ihn weiterhin nur die fragmentarische Materialsammlung von Ernst Barnikol maßgeblich. Immerhin sind aber seine wesentlichen Bücher seit langem als Nachdruck bei Scientia in Aalen erhältlich. Verstreut und schwer zugänglich waren hingegen bisher die Veröffentlichungen von Karl Friedrich Köppen (1808 bis 1863), einem der Weggefährten Bruno Bauers von den Zeiten des Doktorclubs bis zu den Norddeutschen Blättern. Nicht zuletzt dies ließ ihn als eine Randfigur der Hegelschen Linken erscheinen, von der eigentlich nur das freundschaftliche Verhältnis zu Marx berichtenswert wäre, das sogar dessen Auseinandersetzungen mit Arnold Ruge, Moses Hess und den Brüdern Bauer überdauert hat. Die von Heinz Pepperle edierte Werkauswahl schafft nun die Voraussetzung, sich ein angemesseneres Urteil über Köppen zu erlauben, eines, das ihn rehabilitiert, zugleich aber relativiert. Tatsächlich spiegelt sich in seinen Schriften nämlich das junghegelianische Denken und Scheitern eher, als daß sie Marksteine dieser Literatur gewesen wären. Mit der akribischen Einführung des Herausgebers als Leitfaden lassen die in den beiden Bänden vereinten Texte erkennen, welche Auffassungen dieses Netzwerk von Autoren im Vormärz vertrat und mit welchen Strategien es ihnen zum Durchbruch verhelfen wollte. Besonders markant ist dabei Köppens 1840 erschienener und dem Freund Marx gewidmeter Essay „Friedrich der Große und seine Widersacher“. In dieser „Jubelschrift“ zum hundertsten Jahrestag der Thronbesteigung des Königs kulminiert die zunächst gehegte Illusion, daß die bürgerliche Demokratie eine preußische Berufung sei. Sie verflüchtigt sich jedoch mit den einschneidenden Repressionen des Jahres 1843 schlagartig. Das souveräne Gefühl, im Gegensatz zu den zwanghaft handelnden Akteuren der Politik das unausweichliche Ziel der geschichtlichen Entwicklung zu kennen, macht dem ohnmächtigen Trotz Platz, inmitten einer Welt von Feinden an Grundsätzen festzuhalten, von denen keiner etwas wissen will – am allerwenigsten jene, denen zu ihrem Glück und ihrem Recht verholfen werden soll. Die nach 1848 ausgeprägte und in verschiedenen historischen Augenblicken immer wieder neue Nahrung erhaltende Enttäuschung der Linken über die Massen ist in nuce also bereits im Vormärz zu erkennen. In den Worten Köppens: „Die Weltgeschichte, sagt ein Philosoph, ist nichts anderes als die Geschichte der menschlichen Dummheiten“. Von der Zuversicht, daß das Wirkliche vernünftig und das Vernünftige wirklich sei, ist kaum noch etwas geblieben. Die zunächst doch wie eine intellektuelle Bewegung erscheinende Hegelsche Linke löst sich in eine Vielzahl nicht allein konkurrierender, sondern heftige Gegensätze austragender Strömungen auf, die sich jeweils um einige wenige Autoren gruppieren. Köppen steht dabei zunächst Bruno Bauer am nächsten, ohne jedoch, wie Pepperle betont, seinem „Lager“ wirklich zugerechnet werden zu können. Noch vor 1848 revidiert er seine zunächst bürgerlich-demokratisch argumentierende Ablehnung gegen den (frühen) Sozialismus und kritisiert nunmehr Habsucht, Sonderinteresse und Privateigentum als Attribute eines entmenschten Kapitalismus: „In unserer Gesellschaft muß sich jeder prostituieren, das ist die Regel.“ Kontinuität wahrt Köppen in der Verteidigung der Französischen Revolution gegen zeitgenössische Zerrbilder, hier ist allenfalls ein Wandel der Argumentationsstrategie zu bemerken – von der offensiven Auseinandersetzung insbesondere mit Heinrich Leo hin zu der Tendenz, sich etwa hinter Johann Gottlieb Fichte zu verstecken. Nach den Ereignissen von 1848/49, in denen er nur eine Nebenrolle spielt, befaßt sich der als Lehrer zwar beäugte, offenbar aber nie wirklich gefährdete Köppen, sicherlich nicht ganz frei vom Einfluß durch Arthur Schopenhauer, mit dem Buddhismus, über den er eine umfang- und materialreiche Studie vorlegt. Sogar Marx versagt ihr seine Wertschätzung nicht. Allerdings ist Köppen ihm in seiner Flucht aus der Zeit auch nicht ins Gehege gekommen. Heinz Pepperle (Hrsg.): Karl Friedrich Köppen. Ausgewählte Schriften. Akademie Verlag, Berlin 2003, gebunden, 456 Seiten in zwei Bänden, 124,80 Euro Hegel am Katheder (Lithographie von Franz Kugler, 1828): Zuversicht, daß das Wirkliche vernünftig sei