Es gibt wichtige Gründe, zur Lektüre des Erstlings-Werkes von Oswald Metzger, dem langjährigen haushaltspolitischen Sprecher der Grünen, zu greifen. Nicht dazu gehören die Einsichten, die der Verfasser zur überfälligen Reform der Finanzpolitik sowie des gesamten Sozialsystems bietet. Wie katastrophal die Lage mittlerweile ist und welche harten Einschnitte zur Vermeidung des Kollaps unabdingbar sind, hat sich selbst bei breitesten Schichten der Bevölkerung spätestens seit Eichels Zugeständnis im Herbst letzten Jahres herumgesprochen. Metzgers Opusculum hat dennoch den Vorteil, diese Gefahrenlage eindrucksvoll und einfach zu beschreiben. Daß dem Autor dabei keine Einsichten gekommen sind, die nicht bereits vor ihm oder an anderer Stelle im akademischen Raum formuliert wurden, nimmt ihm nicht das Verdienst, die Notwendigkeit des Kurswechsels erneut zu belegen. Indessen unerklärlich sind die frei im Raum stehenden Literaturhinweise auf Horst Sieberts „Kobra-Effekt“ und Miegels „Deformierte Gesellschaft“ und Paul Kirchhofs Steuerreformvorschlag. Ist sich Metzger bewußt, daß mit diesen Zitaten seinem Werk Einseitigkeit unterstellt werden kann? Interessant wird das Buch eigentlich erst dort, wo Metzger über die Praxis des Bundestagsabgeordneten, die Zwänge im Geschäft mit den Oberen seiner Partei, kurzum über die Genese von Politik im allgemeinen und von Haushaltspolitik im besonderen berichtet. Die Besichtigung des Politik-Betriebes gelingt bestens und erklärt dem Leser, warum gerade Abgeordnete mit eigenem Kopf und klugen Konzepten es im Bundestag schwer haben. Dies liegt zum einen an der Verbandsmacht der Parteien, die durch die parlamentarische Fraktionsführung sicherstellen, daß erst das Wohl der Partei und dann das Wohl des Landes komme. Zum anderen sei hierfür die Integration der Politik in den Medienbetrieb verantwortlich. Das Lechzen nach öffentlicher Wahrnehmung habe alle Anstrengungen, allein durch die Kraft der Idee wahrgenommen zu werden, verdrängt. Daß Metzger dieses Spiel besonders in der letzten Legislaturperiode meisterhaft mitbetrieben hat, gibt er offen zu. Nur wer der eigenen Regierung öffentlich Stromstöße verpasse, werde wahrgenommen. Indessen habe er diese Mediennische stets für die gute Sache einer nachhaltigen Finanzpolitik genutzt. Der Edelmut kennt keine Grenzen! Einsichten vermittelt Metzger im übrigen bei der Beschreibung des Wandels der Grünen von einer heterogenen Bewegung zu einer etablierten Partei, bei der die Parteitagsrituale und Machtspiele denen der Bonner Altparteien gleichen und lediglich anders kostümiert werden. Wenn dem so ist und demnach jeder Grüne Abgeordnete um jeden Preis – also auch um den Preis sogenannter politischer Inhalte – seine Wiederwahl anstrebt, dann bleibt verwunderlich, weshalb Metzger ankündigt, 2006 wieder für die Grünen in den Bundestag ziehen zu wollen. Und noch verwunderlicher erscheint dem Leser von Metzgers Parteienschelte und Parlamentarismus-Kritik, daß er eine radikal verbesserte Alimentierung der Abgeordneten als den Schlüssel zur Verbesserung der Parlamentsfunktion sieht. Hier hätte unbedingt weitergedacht werden müssen: Soll den Parteien durch Landeslisten und Fünf-Prozent-Klausel weiterhin das Monopol zur Nominierung des Parlamentspersonals zukommen? Ist das Parteienprivileg des Artikel 21 des Grundgesetzes, an welches sich die Grünen aufgrund der spendablen Staatsfinanzierung bestens gewöhnt haben, aufrechtzuerhalten? Gehört unter heutigen Bedingungen die Haushalts- und Finanzpolitik wie die Geldpolitik in eine Institution, die von Wahlzyklen unabhängig ist? Fragen über Fragen, die sich unabweisbar bei der Lektüre von Metzgers Prosa ergeben. Diese aber sind ihm wahrscheinlich zu systemsprengend, als daß er schon heute versuchen würde, jene Institution zu verändern, deren Mitglied er 2006 und noch dazu auf grünem Ticket wieder zu werden anstrebt. Dennoch bleiben die Auskünfte Metzgers lesenswert und setzen ein Genre fort, welches Hans Apel mit „Ich dachte, mich tritt ein Pferd“ in den sechziger Jahren ins Leben rief. Oswald Metzger: Einspruch! Wider den organisierten Staatsbankrott. Riemann Verlag, München 2003, 261 Seiten, gebunden, 19 Euro