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„Schießen wir sie der Reihe nach ab“

„Schießen wir sie der Reihe nach ab“

„Schießen wir sie der Reihe nach ab“

 

„Schießen wir sie der Reihe nach ab“

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Gemeinsam mit Carl Bernstein gilt Bob Woodward seit der Enthüllung des Watergate-Skandals, der zum Ende der Regierung Nixon führte, als einer der bekanntesten Journalisten der USA. Kaum ein Thema von politischer Brisanz hat Woodward seitdem unkommentiert gelassen. Seine Elaborate haben im Laufe der Zeit allerdings ein zwiespältiges Echo ausgelöst. Unbestritten ist der Fleiß, den Woodward an den Tag legt. Seine Kritikfähigkeit scheint er allerdings inzwischen hinten angestellt zu haben. Woodward geht seit längerer Zeit der Ruf voraus, ein Laudator der gerade Regierenden zu sein. Sein seit Mitte Februar auch in deutscher Sprache vorliegendes Buch „Bush at War. Amerika im Krieg.“ setzt sich vor allem mit den Entscheidungsprozessen der Regierung Bush nach dem 11. September 2001 auseinander. Das etwa 400 Seiten starke Buch basiert auf Protokollen des US-Sicherheitsrats sowie auf Interviews mit den direkt Beteiligten. Auch George W. Bush selbst gewährte Woodward ein mehrstündiges Exklusivgespräch. Woodward umkreist zu Beginn noch einmal den Schockzustand, den der 11. September 2001 in den USA auslöste. Auf einen Angriff, wie er sich an diesem Tag vollzog, waren, das macht Woodward deutlich, die Vereinigten Staaten in keiner Weise vorbereitet. Al Quaida und Osama bin Laden standen allerdings schon vor dem 11. September unter der Beobachtung des CIA. CIA-Direktor George Tenet soll zwar entsprechende „Vorahnungen“ und Informationen gehabt haben. Diese hätten aber den Anschlag nicht verhindern können. Die Bush-Regierung kam relativ schnell zu dem Ergebnis, daß die Drahtzieher aufgespürt und gegebenenfalls getötet werden sollten: „Wir müssen al Quaida den Unterschlupf nehmen, sagte Tenet. Den Taliban sagen, daß wir mit ihnen fertig sind. (…) Rumsfeld sagte, sie sollten jedes Machtmittel benutzen, nicht nur die militärischen, sondern auch rechtliche, finanzielle, diplomatische Mittel und die CIA. Tenet bemerkte, al Quaida habe zwar ihr Hauptquartier in Afghanistan, operiere aber weltweit, auf allen Kontinenten. Wir haben ein 60-Länder-Problem, sagte er. ‚Schießen wir sie der Reihe nach ab‘, sagte der Präsident.“ Aufschlußreich ist die Darstellung des Dissens zwischen Cheney, Powell und Rumsfeld in der Frage, wie genau gegen Afghanistan vorzugehen sei. Während Powell für internationale Zusammenarbeit plädierte, forderten Rumsfeld und Powell ein einseitiges US-amerikanisches Handeln. Damit setzten sie sich bei Bush durch, dem es vor allem um schnelle Ergebnisse ging. So anschaulich diese Entscheidungsprozesse auch von Woodward beschrieben sind: sie verdeutlichen gleichzeitig, das für diesen journalistische Seriosität nicht das Hauptanliegen ist. Er verwendet auch dort die direkte oder indirekte Rede, wo es gar keine überprüfbaren Zitate geben kann. Damit suggeriert Woodward, direkt – auch bei Vier-Augen-Gesprächen – dabei gewesen zu sein. Seien es nun Donald Rumsfeld, Dick Cheney, Condoleezza Rice oder der Präsident selbst: sie alle erscheinen als unfehlbare Akteure, die sich immer auf der Höhe der Diskussion befinden. Zweifel sind erlaubt: Waren die Protagonisten wirklich immer so voller Sachkenntnis und Geistesgegenwart, wie von Woodward dargestellt? An diesen Stellen wird deutlich, warum dieser Journalist in den USA in erster Linie als „Hofberichterstatter“ verschrien ist. Kritik an den Äußerungen von Regierungsmitgliedern sucht der Leser vergebens. Dennoch sollte das Buch nicht gleich zur Seite gelegt werden. Es entfaltet in einer anderen Hinsicht eine Stärke, die Woodward nicht unbedingt intendiert haben dürfte. Dessen Schilderungen spiegeln ungeschminkt die intellektuelle Verfassung der Regierung Bush. Sie zeigen, wie diese Regierung alttestamentarische Rache- und Sühnevorstellungen zum Bestandteil der internationalen Politik zu machen versucht. Weiter wird deutlich, daß diese Regierung auf Verbündete nur dann Wert legt, wenn sie – wie Großbritannien und Spanien – den USA vorbehaltlos zu helfen bereit sind. Aufschlußreich sind auch jene Passagen, die sich mit dem militärisch-operativen Vorgehen in Afghanistan beschäftigen. Die USA haben in Afghanistan mehr Feinde gekauft als getötet. In einem Fall boten die USA einem Kriegsherren 50.000 Dollar an, wenn er sich von den Taliban lossagen würde. Als dieser sich Bedenkzeit erbat, ließen die Special Forces eine Präzisionsbombe in der Nähe seines Hauptquartiers einschlagen. Tags darauf bestellte der CIA-Mann den Kriegsfürsten wieder ein. Ihm wurde ein neues Angebot in Höhe von 40.000 Dollar offeriert. Diesmal willigte der Afghane ein. Dies sei ein „gutes Geschäft“, kommentierte Präsident Bush diesen Vorgang. Die inzwischen sattsam karikierte Primitivrhetorik des derzeitigen US-Präsidenten findet sich auch an anderen Stellen des Buches dokumentiert. Er habe, um hier noch ein anderes Beispiel zu nennen, von den Fehlern seines Vaters gelernt, erklärte Bush in seinem Gespräch mit Woodward: Das „Visionsding“ sei wichtig, es gebe nichts Größeres, als Frieden in der Welt zu erreichen. Daß dieser Frieden ein „amerikanischer Frieden“ sein soll, daran läßt das Buch von Woodward keinen Zweifel. Brandneu ist ein schmales Taschenbuch von Andreas Zumach, dem internationalen Korrespondent der taz, und Hans von Sponeck, dem ehemaligen Leiter des UN-Hilfsprogrammes für Bagdad. Zumach stellt in diesem Buch die inzwischen kaum noch überraschende These auf, daß der Feldzug gegen den Irak bereits vor dem 11. September 2001 für die Bush-Regierung beschlossene Sache gewesen war. Zeuge und Interviewpartner von Zumach ist der UN-Diplomat Hans von Sponeck, der ab 1998 das „Öl für Lebensmittel“-Programm im Irak koordinierte und Anfang 2000 von seinem Posten zurücktrat, weil er die durch die Sanktionen bedingte Verelendung des Iraks nicht mehr mitragen wollte. Zumach, der aus seiner Sympathie für Sponeck keinen Hehl macht, was leider auf Kosten der journalistischen Kritikfähigkeit geht, stellt zu Anfang seines Buches fest, daß die westliche Welt selbst Saddam Hussein lange in die Lage versetzt hat, jene Waffen zu produzieren, die jetzt für die USA einen Kriegsgrund darstellen: „Seit seinem Aufstieg zur Macht in Bagdad konnte und mußte jeder, der ihn politisch unterstützte, mit ihm Geschäfte machte oder ihm Waffen verkaufte, genau wissen, mit wem er es zu tun hatte.“ Seit 1991 wird der Irak durch die Uno sanktioniert. Es ist das längste und umfassendste Sanktionensprogramm, das die Uno je verhängt hat. Die Folgen für die Zivilbevölkerung im Irak, darauf macht Sponeck immer wieder aufmerksam, sind verheerend und haben zu vielen Opfern geführt. Graf von Sponeck läßt sich aber nicht nur über die humanitäre Katastrophe im Irak aus, sondern auch über die geopolitischen Motive der „einzigen Weltmacht“: „Nach dem 11. September 2001 sind die Amerikaner immer weniger geduldet in Saudi-Arabien. Die Gefahr, daß dem Mieter USA von dem Vermieter Saudi-Arabien der Mietvertrag gekündigt wird, wächst zunehmend. Daher brauchen die USA einen neuen Anker in der Region. Dieser Anker könnte der Irak sein.“ Sponeck wirft der Uno vor, das Sanktionsprogramm zu hart durchgeführt zu haben: „Man hätte ein Programm der Finanzierung von Nahrungsmitteln, Sonderspeisung für Kleinkinder, ein Bildungsbudget für die Schulkinder schaffen können – ohne Schwierigkeiten. Daß dies alles nicht geschehen ist, unterstreicht den Strafcharakter der Sanktionen. Eine Bevölkerung wurde dafür zur Rechenschaft gezogen, daß sie einen Diktator erdulden mußte.“ Aufschlußreich sind auch die Ausführungen Sponecks zur Durchsetzung der Flugverbotszone über dem Irak, bei der immer wieder Luftabwehrstellungen bombardiert werden: „Allein für das Jahr 1999 wurden an 132 Tagen Luftangriffe registriert. Dabei sind 144 Zivilpersonen ums Leben gekommen. Etwaige Verluste unter militärischem Personal kann ich nicht beurteilen.“ Die Kritik an den Sanktionen steht im Mittelpunkt dieses Buches. Deren Auswirkungen werden sehr anschaulich skizziert. Dies überrascht nicht, denn hier liegt die Kernkompetenz von Sponeck. Ein Manko dieses schmalen Bändchens liegt in der mangelnden Neugier, die Zumach entwickelt. Es reicht für ein Buch eben nicht aus, sich gegenseitig die Bälle zuzuspielen. An vielen Stellen wäre ein intensiveres Nachfragen oder Insistieren angezeigt gewesen. Foto: US-amerikanische Panzer an der irakischen Grenze in Kuwait: „Wir haben ein 60-Länder-Problem“ Bob Woodward: Bush at war. Amerika im Krieg. Deutsche Verlagsanstalt (DVA) & Spiegel-Buchverlag, München 2003, gebunden, 392 Seiten, 24,90 Euro Hans von Sponeck, Andreas Zumach: Irak. Chronik eines gewollten Krieges. Wie die Weltöffentlichkeit manipuliert und das Völkerrecht gebrochen wird. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003, broschiert, 158 Seiten, 7,90 Euro

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