Frau Fernau, wenn wir in diesen Tagen voller Respekt an Ihren Mann denken, der am 24. November 1988 verstorben ist, denken wir an einen Schriftsteller, der von zwei Leidenschaften geprägt wurde: der Liebe zum Erzählen und der Liebe zur Geschichte. Worin sehen Sie das Verbindende? Fernau: Ich sehe das Verbindende darin, daß mein Mann nicht einfach l’art pour l’art geschrieben hat, sondern den Lesern in seiner Belletristik dasselbe geben wollte wie in seinen geschichtlichen Büchern: Orientierung inmitten des Chaos. Im Vorwort zu „Die jungen Männer“ hat er das selbst angesprochen: „Seien Sie nicht enttäuscht, wenn ich in diesem Buch, das genauso auf der Barrikade geschrieben ist wie alles, was aus meinem Herzen kommt, zum ‚Kryptogramm‘ des Romans gegriffen habe.“ Seine historischen Arbeiten – vor allem die ungemein erfolgreichen Bücher „Rosen für Apoll“ und „Cäsar läßt grüßen“ – widmen sich mit Akribie und Temperament der alten Welt. Doch hat man stets den Eindruck, daß Joachim Fernau zugleich auch von uns spricht, von Deutschland. Fernau: Das stimmt. Und es muß auch so sein. Sein Herzensthema ist immer Deutschland gewesen, und darum richtete er stets den Scheinwerfer darauf, egal ob vom alten Griechenland, von Rom oder vom Berlin der dreißiger Jahre aus. Der Stil Ihres Mannes ist geprägt von Ironie, Scherz und Spott. Unübersehbar ist aber auch ein Grundton von Trauer. Hatte Joachim Fernau – wie Ernst Jünger gesagt hätte – das Gefühl, auf einem verlorenen Posten zu stehen? Fernau: Nicht von Anfang an. Wenn Sie das erste Buch meines Mannes kennen, das „Deutschland, Deutschland über alles …“, werden Sie spüren, daß das noch voller Hoffnung geschrieben ist. Da ist er noch ganz ohne Schärfe, da ist er nur Tröster, Beschwichtiger, Erklärer, Mutmacher. Zehn Jahre später sagte er mir einmal, er würde das Buch heute nicht mehr so schreiben. Die Trauer wuchs parallel zu dem, was er den „Irrsinn auf der Tagesordnung“ nannte, und in seinen letzten Jahren wäre er wohl von der Barrikade heruntergestiegen, wenn nicht sein preußisches Pflichtgefühl ihn gezwungen hätte, auf Posten zu bleiben. Ich denke oft über dies alles nach, und es könnte sein, daß mein Mann, wenn er das heutige, völlig hysterische Deutschland sähe, schweren Herzens Ernst Jünger beipflichten würde: Bei allgemeiner Infamie ist Widerstand zwecklos. Sie haben eine Sammlung von Korrespondenz zwischen Ihrem Mann und seinen Lesern herausgegeben. Wie war sein Verhältnis gerade zu jungen Lesern? Was suchten sie in ihm, was wollte er ihnen geben? Fernau: Mein Mann hat sie immer sehr ernst genommen, die jungen Leute, und sich manchmal darüber gewundert, mit welchem Gottvertrauen sie mit allen nur denkbaren Sorgen zu ihm kamen: Schulprobleme, Liebeskummer, pubertäres Sich-einsam-fühlen, Vater-Sohn-Probleme, Orientierungsnöte u.s.f. Er ist immer sorgfältig auf sie eingegangen. Wie ein verantwortungsvoller Vater gab er ihnen nicht immer das, was sie wollten, aber immer das, dessen sie bedurften. Lustig fand er die Post der Kinder. „Herr Fernau, Sie benutzen zu viele Fremdworte. Da muß ich ja immer nachschlagen, und das stört mich beim Lesen, wenn es gerade so spannend ist.“ Welches Buch Ihres Mannes lieben Sie am meisten? Fernau: Mein Lieblingsbuch sind die „Disteln für Hagen“. Da steckt meines Mannes ganze Seele, sein ganzes Herzblut drin. Die „Disteln“ sind sicher das deutscheste seiner Bücher. Im letzten Jahr seines Lebens, als er ein paar Tage mit Grippe zu Bett lag, wollte ich ihm die „Disteln“ noch einmal vorlesen, die inzwischen 22 Jahre alt waren und die er wie alle seine Bücher nach dem Erscheinen nie mehr aufgeschlagen hatte. Er hörte mir zu, geduldig, kommentarlos, schweigend. Aber an der Stelle, da die Nibelungen in Etzelburg eintreffen, sagte er plötzlich: „Nicht mehr weiter, bitte.“ Da wußte ich: Er sah nicht die Nibelungen, er sah sein Vaterland in der Saalschlacht untergehen. Gibt es ein Buch Ihres Mannes, das Sie weniger mögen? Fernau: Ja, eindeutig: das „Halleluja“. Und ich will Ihnen auch den Grund sagen: Ich kann einfach nicht vergessen, wie unfroh, wie freudlos, wie quälend seine Tage während der Arbeit an diesem Buch waren. Heute wünschte ich, mein Mann hätte sich das erspart und dieses Jahr genossen, anstatt zu leiden. Immerhin: Gerade vor einer Woche ist „Halleluja“ wieder einmal erschienen. In Beirut. Auf arabisch! Joachim Fernau (1909-1988): Geboren im westpreußischen Bromberg, blieb der Erfolgsschriftsteller zeitlebens ein Preuße in Stil und Denken. Zu seinen bekanntesten und beliebtesten Werken gehören vor allem seine historischen Bücher wie „Deutschland, Deutschland über alles …“ (1952), „Rosen für Apoll“ (1961) und „Cäsar läßt grüßen“ (1971) sowie die 1966 erschienene Interpretation des Nibelungenliedes „Disteln für Hagen“. Seine Bücher erreichten eine Millionenauflage und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt, unter anderem ins Slowakische, Tschechische, Türkische und Arabische, ins Japanische und Koreanische. Zeitgeistigen Moden ist Fernau stets mit Skepsis begegnet: „Man nennt mich (besser: schimpft mich) konservativ. Das stimmt, wenn man darunter einen Mann versteht, dem das Bewahren des Vernünftigen und Guten im Geistigen ebenso wie im Alltäglichen wichtiger ist als das Ändern um des Änderns und das Verwerfen um des ‚Fortschritts‘ willen und der nicht um jeden Preis ‚in‘ sein will, wie man heute so abscheulich zu sagen pflegt.“ weitere Interview-Partner der JF