Weihnachten im Krieg – ist das nicht ein Widerspruch? Wohl nie ist bei unseren Soldaten der Weltkriege die Sehnsucht nach Frieden, nach der Heimat und nach der Familie größer gewesen als gerade an Weihnachten. Die Soldaten der Roten Armee, die – von den überzeugten Kommunisten abgesehen – sowieso Weihnachten erst im Januar feierten, griffen deshalb mit Vorliebe am 24. Dezember an.
Weihnachten 1941, Ostfront: Nach harten Kämpfen liegt eine deutsche Panzerdivision in einer kleinen russischen Stadt. In der verfallenen orthodoxen Kirche, in der Schnee liegt, soll Weihnachten gefeiert werden. Da erhält der Nachrichtenoffizier einen Funkspruch: Russische Einheiten seien im Anmarsch, und in der Stadt selbst würden sich russische Truppen in Zivil auf den Angriff vorbereiten. Der junge Offizier überlegt: Gibt er die Nachricht weiter, dann ist der Gottesdienst vorbei. Zwei Stunden – werden sie in dieser Zeit kommen? Er drängt alle Bedenken beiseite und steckt den Funkspruch ein. Der Gottesdienst beginnt, nicht nur die deutschen Soldaten, auch die Einwohner des Städtchens sind gekommen, stehen Kopf an Kopf. Sie verstehen die deutschen Worte nicht, wohl aber die Friedensbotschaft. Immer wieder bekreuzigen sie sich und verneigen sich nach orthodoxer Art. Da fällt dem Offizier eine Gruppe jüngerer Leute mit Blicken voller Spott und Haß auf, sie haben ihre Mützen aufbehalten und bleiben stehen, während die anderen im Schnee knien. Die angekündigten Soldaten in Zivil? Da geschieht, was der Offizier später als Wunder der Christnacht empfand: Der Divisionspfarrer spricht den Segen, auf deutsch und russisch, über Evangelische, Katholiken und Orthodoxe. – Und der Führer der Gruppe nimmt seine Mütze ab, die anderen folgen ihm. Vor der Kirche tritt der Russe vor den Offizier und sagt auf deutsch: "Christ ist geboren". Dann küßt er ihn nach russischem Brauch auf die Wangen. Er und seine Leute verschwinden in der Dunkelheit. Der Angriff der Russen fand jedenfalls nicht statt.
Und heute? Wir haben Frieden. Was aber für ein Frieden ist das, in dem Soldaten von damals als "Mörder" und "Verbrecher" ausgegrenzt werden. Gilt die Botschaft von Frieden und Versöhnung hier weniger als 1941 in dieser kleinen Stadt an der Front?
Und unsere Soldaten heute? – Wieder sind viele zu Weihnachten im Ausland im Einsatz, wenn auch nicht im Krieg. Es sind unsere Soldaten. Geben wir ihnen, gleich wie wir zu dieser Regierung und ihrer Außenpolitik stehen, gerade zu Weihnachten das Gefühl, daß wir hinter ihnen stehen.