Vor vier Monaten stellte ich an dieser Stelle das ehrgeizige Projekt einiger internetaffiner, „etwas anderer“ Journalisten vor, die „aus der Logik der Werbefinanzierung und Klickoptimierung“ ausbrechen und dem „kaputten Onlinejournalismus“ etwas entgegensetzen wollten. Optimistisch und selbstbewußt hieß es in der Startphase: „Wir kriegen das wieder hin“.
Seit letzten Freitag ist die Onlinepräsenz der „Krautreporter“ erreichbar. Der erste Blick ist ernüchternd. Die Seite ähnelt auf den ersten Blick einer billig programmierten App. Ein simples Logo, eine kleine Übersicht von Artikeln und Autoren am linken Bildschirmrand. In der Bildschirmmitte immer nur ein Beitrag. Mehr gibt es nicht: Kein Blinken, keine Werbung und keine ablenkenden Bildelemente.
Genauso passiv wie die Internetpräsenz geben sich die rund 30 Journalisten. Sebastian Esser, Mitgründer und Herausgeber, zeigt sich in einer dezidiert defensiven Haltung: „Der Vertrauensvorschuß ist da, wir dürfen den jetzt bloß nicht verspielen“, erklärt er der SZ. Esser stapelt tief: „Ich würde gern das Mißverständnis ausräumen, wir hielten uns für die Zukunft des Journalismus.“ Während der Crowdfunding-Kampagne – einer Schwarmfinanzierung über das Internet – klang das noch anders. Den „toten“ Journalismus wollte man wiederbeleben. Nur vier Monate und eine Million Euro später, verhallen diese Worte in den Leeren der Internetpräsenz.
Kein Frustprojekt, sondern ein „Liebhaber-Feinschmecker-Slow-Food-Journalismus“ …
Krautreporter könne keine Alternative zu etablierten Tageszeitungen oder Magazinen werden, sondern ähneln eher einem „Liebhaber-Feinschmecker-Slow-Food-Journalismus“. „Der Zuspitzung, Verkürzung und Verflachung im Onlinejournalismus halten wir Zeit für Journalismus entgegen.“ Dennoch will Esser die neue Plattform nicht als Frustprojekt verstanden wissen.
Trotzdem bewertet Esser die Grundstimmung positiv. Wohl nicht zuletzt auch wegen der eine Million Euro Startkapital, das die Reporter mit einer Crowdfunding-Kampagne generiert haben. Genauere Zahlen wollen die Krautreporter nicht nennen. Für die Mitglieder, die auch die einzige Einnahmequelle sind, wollen die Krautreporter auch schreiben: „Für uns ist es super wichtig, daß die Leute das Gefühl haben, daß es sich lohnt, sich zu beteiligen, nur dann haben wir auf längere Sicht ein Geschäftsmodell“, sagt Esser in der SZ.
Mitglieder können für fünf Euro im Monat Beiträge kommentieren, mitdiskutieren, Themenvorschläge einbringen oder an hauseigenen Veranstaltungen wie einem Blogger-Workshop mit Richard Gutjahr teilnehmen.
Hoher Anspruch und dann doch alles wie gehabt
Warum die mehr als 17.000 Menschen das Projekt unterstützen, ist keine Überraschung: In einer Umfrage unter 5.000 Mitgliedern hätten sich rund 80 Prozent davon gewünscht, „daß Krautreporter eine Alternative zu etablierten Medien ist“. Immer mehr Leser haben den Einheitsbrei der Massenmedien satt.
Klickt man sich nun durch die ersten Reportagen, fällt es schwer zu glauben, daß die Krautreporter ihren Anspruch, eine Alternative zu den etablierten Medien zu sein, auch tatsächlich halten können. Udo Ulfkotte wird genauso verrissen wie Israels Gaza-Politik. Also alles wie gehabt. Da macht es auch keinen Unterschied, ob der Inhalt verkürzt und zugespitzt oder „slow“ serviert wird.